Kerntechnische Anlage Majak

Majak (russisch производственное объединение «Маяк» „Produktionsverbund ‚Majak‘“, von russ. Majak für „Leuchtturm“; auch als Chemiekombinat Majak oder Tscheljabinsk-65 bezeichnet) ist eine kerntechnische Anlage in Russland in der Oblast Tscheljabinsk bei Osjorsk. Sie war die erste Anlage zur industriellen Herstellung spaltbaren Materials für Kernwaffen der Sowjetunion. Seit 1987 produziert Majak kein kernwaffenfähiges Material mehr. Haupttätigkeitsfelder sind seitdem die Produktion von Radionukliden und die Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen. Durch den regulären Betrieb der Anlage und diverse Unfälle, unter anderem durch den Kyschtym-Unfall im Jahr 1957, wurden sehr große Mengen radioaktiver Substanzen in die Umwelt abgegeben. Aufgrund der teilweise immer noch andauernden Geheimhaltung und strengen Zugangsbeschränkungen zur Anlage und zur Stadt Osjorsk sind bis heute nur eingeschränkt verlässlichWeiterlesen

Majak (russisch производственное объединение «Маяк» „Produktionsverbund ‚Majak‘“, von russ. Majak für „Leuchtturm“; auch als Chemiekombinat Majak oder Tscheljabinsk-65 bezeichnet) ist eine kerntechnische Anlage in Russland in der Oblast Tscheljabinsk bei Osjorsk. Sie war die erste Anlage zur industriellen Herstellung spaltbaren Materials für Kernwaffen der Sowjetunion. Seit 1987 produziert Majak kein kernwaffenfähiges Material mehr. Haupttätigkeitsfelder sind seitdem die Produktion von Radionukliden und die Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen. Durch den regulären Betrieb der Anlage und diverse Unfälle, unter anderem durch den Kyschtym-Unfall im Jahr 1957, wurden sehr große Mengen radioaktiver Substanzen in die Umwelt abgegeben. Aufgrund der teilweise immer noch andauernden Geheimhaltung und strengen Zugangsbeschränkungen zur Anlage und zur Stadt Osjorsk sind bis heute nur eingeschränkt verlässliche Informationen bekannt.

Das „Chemiekombinat Majak“ wurde von 1945 bis 1948 als „Kombinat 817“ zusammen mit der zugehörigen Stadt (heute Osjorsk) in großer Eile als Teil des sowjetischen Atomwaffenprojektes errichtet. Es entstand teilweise aus einem vorherigen Industriekomplex. Im November 1945 wurden die ersten Gebäude der Stadt errichtet. Die Gesamtleitung des Baus hatte Jakow Dawydowitsch Rapoport, zuvor stellvertretender Bauleiter des Weißmeer-Ostsee-Kanals. Ab 1947 übernahm Michail Michailowitsch Zarewski die Konstruktion des ersten Reaktorgebäudes und weiterer Gebäude des Komplexes. Chefingenieur war Nikolai Antonowitsch Dolleschal, der auch für die Konstruktion des ersten Reaktors A verantwortlich war.[1]

Als erster Reaktor ging ein Uran-Graphit-Reaktor im Juni 1948 in Betrieb. Im Dezember des gleichen Jahres nahm eine radiochemische Anlage zur Aufbereitung des im Reaktor produzierten Plutoniums den Betrieb auf.[2] Erster wissenschaftlicher Leiter war Witali Chlopin, unter anderem verantwortlich für die Wiederaufarbeitungsanlage B. Anlage V zur metallurgischen Weiterverarbeitung, in der die Plutoniumhalbkugeln für die Atomwaffen gefertigt wurden, ging 1949 in Betrieb. Deren Leitung hatte Andrei Anatoljewitsch Botschwar inne.[1]

Einem Bericht der CIA zufolge wurden bei den Konstruktionsarbeiten etwa 70.000 Zwangsarbeiter eingesetzt.[1]

In Majak wurde während der Sowjetzeit vor allem waffenfähiges Plutonium für die Kernwaffen-Produktion gewonnen, unter anderem für die erste sowjetische Atombombe.[3] Zeitweise waren in Majak bis zu 25.000 Menschen beschäftigt, 2003 noch etwa 14.000 Menschen.[3][4]

Zwischen 1948 und 1987 gingen dort insgesamt zehn Kernreaktoren in Betrieb. Seit 1987 produziert Majak kein kernwaffenfähiges Material mehr. Bis 1991 wurden acht der zehn Reaktoren stillgelegt. Die zwei noch in Betrieb befindlichen Reaktoren produzieren unter anderem Isotope zu medizinischen, militärischen und Forschungszwecken. Außerdem wird in Majak Brennstoff für Kernkraftwerke und U-Boote hergestellt sowie abgebrannte Brennelemente wiederaufgearbeitet.[3]

Generaldirektor der gesamten Anlage ist seit Dezember 2007 der Physiker Sergei Baranow (* 1957).

Die Anlage hatte bei ihrer Inbetriebnahme 1949 noch keine Möglichkeit ihre radioaktiven Abfälle zu entsorgen. Daher wurden diese in dem nahe gelegenen Fluss Tetscha entsorgt, was zu einer starken radioaktiven Belastung führte. Ab 1951 durften die Einwohner den Fluss nicht mehr nutzen. Da aber keine Begründung für die Maßnahme gegeben wurde, wurde die Anweisung ignoriert. Zur gleichen Zeit begann man heimlich die Anwohner auf Strahlenschäden zu untersuchen. 1953 wurde das erste Dorf evakuiert, 1956 wurde dann der Fluss abgesperrt; 19 Dörfer entlang des Flusses mit insgesamt ca. 10.000 Einwohnern wurden geräumt. Die Gebäude wurden zerstört. Es wird geschätzt, dass bis zu diesem Zeitpunkt bereits 100 Petabecquerels in den Fluss gelangt waren und er in seiner vollen Länge kontaminiert war.[5]

1957 explodierte in der Anlage ein Tank für radioaktiven Abfall (siehe Kyschtym-Unfall). Der Unfall wurde auf der Internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse (INES) auf der zweithöchsten Stufe 6 (schwerer Unfall) eingeordnet und ist damit der drittschwerste Nuklearunfall der Geschichte nach der Katastrophe von Tschernobyl (1986) und der Nuklearkatastrophe von Fukushima (2011). 20.000 km² mit etwa 270.000 Einwohnern wurden dabei radioaktiv belastet. Im Jahr darauf wurde die bis heute existierende Sperrzone eingerichtet.

Das Gebiet um Majak war eines der letzten Ziele, die Francis Gary Powers auf seinem Spionageflug am 1. Mai 1960 überflog, bevor sein Flugzeug abgeschossen wurde.[6]

1967 fiel der nahe Karatschai-See trocken. Die radioaktiven Sedimente wurden aufgewirbelt und bildeten eine ca. 100 km lange Fahne. Der See blieb über Jahrzehnte das radioaktivste Gewässer weltweit, 2015 wurde der See geleert und zubetoniert.

Nachrichten zu dem Unfall in Majak kamen erst im November 1979 durch den Dissidenten Schores Medwedew in den Westen, die Bewohner wurden sogar erst 1989 im Rahmen von Glasnost informiert.

Mehrmals in den letzten Jahren wurde Majak die Betriebserlaubnis ganz oder teilweise für kurze Zeit entzogen. Im Frühjahr 1997 wurde die Wiederaufarbeitungsanlage abgeschaltet, weil die Betriebserlaubnis eine Verglasung hochradioaktiver Abfälle vorschrieb, diese aber aufgrund einer defekten Verglasungsanlage nicht durchgeführt werden konnte. Noch im selben Jahr nahm die Wiederaufarbeitungsanlage ihren Betrieb wieder auf, nachdem ausreichend Zwischenlager bis zur Inbetriebnahme der neuen Verglasungsanlage nachgewiesen worden waren.[7]

Am 1. Januar 2003 wurde der Betrieb der Atomanlage von russischen Behörden erneut vorübergehend gestoppt, weil nach wie vor radioaktive Abfälle in offene Gewässer eingeleitet wurden, was nach russischen Umweltschutzgesetzen nicht erlaubt war.[8][9] Eine Wiederaufnahme des Betriebs konnte erst nach der Installation von neuen technischen Anlagen genehmigt werden, die die Freisetzung von radioaktiven Abwässern reduzieren.

Pläne, die nie in Betrieb gegangene Brennelementefabrik in Hanau nach Majak zu verkaufen, wurden im Jahr 2000 aufgegeben.[10]

Im Jahr 2010 kritisierte die Umweltschutzorganisation Greenpeace den Schweizer Energieversorger Axpo, weil dieser in Majak wiederaufgearbeitete Brennstäbe verwendet, ohne dies anzugeben. Die Brennstäbe werden in den Kernkraftwerken Beznau und Gösgen genutzt.[11] Die Firma kündigte daraufhin an, die Herkunft der Brennstäbe besser zu kontrollieren und die Lieferverträge zu überprüfen.[12]

Die Anlage wurde 2010 durch die Wald- und Torfbrände in Russland bedroht. Am 9. August 2010 verhängten die Behörden in der Nähe der Anlage den Notstand, weil sich die Flammen der Anlage näherten.[13] Kurz darauf wurde jedoch Entwarnung gegeben.[14]

Im September 2010 wurden Pläne bekannt, wonach 951 Brennelemente aus dem Forschungszentrum Dresden-Rossendorf, die derzeit im Zwischenlager Ahaus lagern, nach Majak geschickt werden sollten. Dort sollten sie wiederaufgearbeitet werden, um anschließend in russischen Kernkraftwerken verwendet zu werden. Das Vorhaben stieß auf Kritik von deutschen und russischen Umweltschutzorganisationen, die unter anderem die Möglichkeit einer sicheren Lagerung in Majak bezweifelten.[15] Anfang Dezember 2010 lehnte Bundesumweltminister Norbert Röttgen die Ausfuhrgenehmigung ab, da er nicht überzeugt gewesen sei, dass dort die vorgeschriebene schadlose Verwertung des Atommülls gewährleistet werden könne.[16]

Bezeichnung

Im Laufe der Zeit wurde die Anlage häufiger umbenannt: Von 1946 bis 1967 wurde Majak als „Kombinat 817“ (russ. Комбинат № 817) bezeichnet, von 1967 bis 1989 als „Chemiekombinat Majak“ (Химический комбинат «Маяк»). Zwischen 1990 und 2001 lautete die Bezeichnung „Produktionsverbund Majak“ (Производственное объединение «Маяк»), seit 2001 „Föderaler staatlicher unitärer Betrieb Produktionsverbund Majak“ (Федеральное государственное унитарное предприятие Производственное объединение «Маяк»; ФГУП ПО «Маяк»).

Auch die zugehörige geschlossene Stadt Osjorsk hatte lange Zeit keinen offiziellen Namen, sondern wurde zunächst nur als Tscheljabinsk-40, später dann als Tscheljabinsk-65 (eine Art Postfachadresse) bezeichnet.

↑ a b c Thomas B. Cochran, Robert S. Norris, Oleg A. Bukharin: Making the Russian Bomb – From Stalin to Yeltsin. (PDF; 2,2 MB) Natural Resources Defence Council, 1995, S. 65–109, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 14. Dezember 2010; abgerufen am 14. November 2010 (englisch). L. Anspaugh, M. Degteva, E. Vasilenko: Mayak Production Association: Introduction. In: Radiation and Environmental Biophysics. 41, 2002, S. 19, doi:10.1007/s00411-002-0148-5. ↑ a b c Igor Kudrik, Aleksandr Nikitin, Charles Digges, Nils Bøhmer, Vladislav Larin, Vladimir Kuznetsov: The Russian Nuclear Industry – The Need for Reform. Bellona Report Volume 4:2004. (PDF; 3,0 MB) Bellona Foundation, 1. November 2004, S. 47–69, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 15. Februar 2010; abgerufen am 24. April 2010 (englisch). Heinz-Jörg Haury: Der Gau in Majak – Ewiges Feuer in der geheimen Stadt. Süddeutsche Zeitung, 28. September 2007, abgerufen am 13. November 2010. Fred Pearce, Zone of Secrets, New Scientist Nr.3103, 10. Dezember 2016 Richard Lee Miller: Under the cloud: the decades of nuclear testing. Two-Sixty Press, 1986, ISBN 0-02-921620-6, S. 326 ff. Igor Kudrik: Mayak to resume waste processing. Bellona Foundation, 30. Oktober 2001, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 14. April 2013; abgerufen am 13. Dezember 2010 (englisch). Rashid Alimov: Revoked License Grinds Mayak to a Halt. Bellona Foundation, 16. Januar 2003, archiviert vom Original am 12. Oktober 2012; abgerufen am 13. Dezember 2010 (englisch). Gosatomnadzor Refuses to Renew Mayak's License on Environmental Grounds. Nuclear Threat Initiative/James Martin Center for Nonproliferation Studies, März 2013, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 29. November 2011; abgerufen am 26. März 2018 (englisch). Hendrik Munsberg: Export der Siemens-Mox-Fabrik nach Russland steht auf der Kippe, Berliner Zeitung, Artikel vom 8. September 2000, zuletzt abgerufen am 13. Juni 2009 Peinliche Uran-Herkunft – Greenpeace wusste mehr als Axpo. Neue Zürcher Zeitung, 10. September 2010, abgerufen am 20. Februar 2011. Tobias Bühlmann: Axpo bezieht weiter Uran aus umstrittener Anlage in Russland. In: Tagesschau. Schweizer Fernsehen, 19. November 2010, abgerufen am 20. Februar 2011. dpa: Notstand im Ural: Feuer nähert sich Atom-Anlage. n-tv, 9. August 2010, abgerufen am 12. November 2010. dpa: Gefährdete russische Atomanlagen: Experten vermuten Vertuschung. n-tv, 10. August 2010, abgerufen am 10. November 2010. Michael Bauchmüller, Frank Nienhuysen: Strahlende Exporte – Atomtransport nach Russland. Süddeutsche Zeitung, 9. November 2010, abgerufen am 13. November 2010. Reuters: Röttgen stoppt Atommüll-Transport nach Russland. 6. Dezember 2010, archiviert vom Original am 8. Dezember 2010; abgerufen am 6. Dezember 2010.
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