Shintō

Kontext von Shintō

Shintō (jap. 神道, wird im Deutschen meist übersetzt mit „Weg der Götter“) – auch als Shintoismus bezeichnet – ist die ethnische Religion der Japaner (siehe auch Religion in Japan). Shintō und Buddhismus, die beiden in Japan bedeutendsten Religionen, sind aufgrund ihrer langen gemeinsamen Geschichte nicht immer leicht zu unterscheiden. Als wichtigstes Merkmal, das die beiden religiösen Systeme trennt, wird oft die Diesseitsbezogenheit des Shintō angeführt. Darüber hinaus kennt der klassische Shintō keine heiligen Schriften im Sinne eines religiösen Kanons, sondern wird weitgehend mündlich überliefert. Die beiden Schriften Kojiki und Nihonshoki, die von einigen shintoistisch geprägten Neureligionen Japans als heilig angesehen werden, sind eher historisch-mythologische Zeugnisse.

Mehr über Shintō

Verlauf
  • Prähistorie

    Die ältesten Mythen Japans, die als wichtigste Quelle des Shintō gelten, legen nahe, dass sich die religiösen Riten sowohl auf Ehrfurcht-gebietende Naturerscheinungen (Berge, Felsen oder Bäume) als auch auf Nahrungsgottheiten und elementare Naturkräfte bezogen, die für die damals vorwiegend agrarisch geprägte Gesellschaft von Bedeutung waren. Um die Gesamtheit aller Gottheiten zu beschreiben, verwenden die Mythen den Ausdruck yao yorozu, welcher wörtlich übersetzt zwar „acht Millionen“ bedeutet, tatsächlich aber im Sinne von „unzählbar“, „unüberblickbar“ zu verstehen ist. Daraus ergibt sich ein Hinweis, dass es sich bei der damaligen Religion nicht um ein geschlossenes, einheitliches Glaubenssystem handelte.

    Weiterlesen
    Prähistorie

    Die ältesten Mythen Japans, die als wichtigste Quelle des Shintō gelten, legen nahe, dass sich die religiösen Riten sowohl auf Ehrfurcht-gebietende Naturerscheinungen (Berge, Felsen oder Bäume) als auch auf Nahrungsgottheiten und elementare Naturkräfte bezogen, die für die damals vorwiegend agrarisch geprägte Gesellschaft von Bedeutung waren. Um die Gesamtheit aller Gottheiten zu beschreiben, verwenden die Mythen den Ausdruck yao yorozu, welcher wörtlich übersetzt zwar „acht Millionen“ bedeutet, tatsächlich aber im Sinne von „unzählbar“, „unüberblickbar“ zu verstehen ist. Daraus ergibt sich ein Hinweis, dass es sich bei der damaligen Religion nicht um ein geschlossenes, einheitliches Glaubenssystem handelte.

    Wie die ganze altjapanische Kultur war diese Religion wahrscheinlich mit der Jōmon-Kultur, der Yayoi-Kultur und den austronesischen Religionen verwandt, die ihren Weg vorwiegend über eine Landbrücke von Taiwan ausgehend über die Ryūkyū-Inseln im Süden nach Japan fanden. Daneben werden auch frühe koreanische- und klassisch-schamanistische Kulte aus Sibirien (über Sachalin) sowie Einflüsse des chinesischen Volksglaubens vermutet, die über die Koreanische Halbinsel nach Japan kamen.[1] Laut Helen Hardacre leitet sich der Shintoismus sowie die japanische Kultur von der Yayoi-Kultur und Religion ab.[2] Es muss bedacht werden, dass Japan in prähistorischer Zeit nicht von einer einzigen, ethnisch homogenen Gruppe bevölkert wurde und dass noch in historischer Zeit Einwanderungswellen vom Kontinent zu lokalen kulturellen Differenzierungen führten. Der sogenannte „Ur-Shintō“ bestand daher aus lokalen Traditionen, die wesentlich unterschiedlicher gewesen sein dürften, als dies heute der Fall ist. Zu einer gewissen Vereinheitlichung kam es erst im Zusammenhang mit der Errichtung des frühen japanischen Staatswesens, dessen formative Phase um das Jahr 700 abgeschlossen war. Die frühesten schriftlichen Quellen stammen aus der unmittelbar auf die politische Konsolidierung folgenden Nara-Zeit (Kojiki: 712, Nihon shoki: 720). Viele Fragen zur prähistorischen japanischen Religion bleiben daher wegen mangelnder Quellen offen. All dies hat dazu geführt, dass die Forschung den Begriff „Shintō“ im Zusammenhang mit der prähistorischen, vor-buddhistischen Religion (oder besser: den Religionen) Japans kaum mehr verwendet, sondern sich neutraler Begriffe, wie zum Beispiel „kami-Verehrung“, bedient. In vielen einführenden Werken ist die Gleichung „Shintō = japanische Urreligion“ dagegen nach wie vor häufig zu finden.

    Mythologie und kaiserlicher Ritus
     
    Einer der Schreine (betsugū) des Ise-Schreins

    Als sich im 5. und 6. Jahrhundert eine hegemoniale Dynastie in Zentraljapan etablierte, entstand ein höfischer Kult, der sich zunehmend am chinesischen Staatswesen und an der chinesischen Kultur orientierte. Dabei spielten sowohl die Ahnenverehrung und die Moralvorstellungen des chinesischen Konfuzianismus, als auch die Kosmologie des Daoismus und der Erlösungsglaube des Buddhismus eine Rolle. All diese Traditionen wurden mit den Kulten indigener Territorial- und Klangottheiten (Ujigami) zu einem neuartigen staatlichen Zeremoniell verbunden.

    Der frühe japanische Staat entstand aus Bündnissen einzelner Klans (uji), die jeweils eigene Ujigami verehrten. Als sich der Klan der späteren Tennō („Kaiser“) innerhalb dieses Bündnisses als führende Dynastie durchsetzte, entstand eine Mythologie, die die Geschichten der einzelnen Klangottheiten zu einer einheitlichen mythologischen Erzählung verschmolz. Die bereits genannten frühesten Textquellen dieser Mythologie aus dem achten Jahrhundert schildern die Weltentstehung und den Ursprung der Dynastie des Tennō: Ein Urgötterpaar (Izanagi und Izanami) kreiert die japanischen Inseln und alle übrigen Gottheiten. Amaterasu Omikami (Himmelsscheinende große Gottheit) ist die wichtigste ihrer Schöpfungen: Sie beherrscht die „himmlischen Gefilde“ (Takamanohara) und wird mit der Sonne gleichgesetzt. In ihrem Auftrag steigt ihr Enkel zur Erde herab, um hier die ewig andauernde Dynastie des Tennō-Geschlechts zu begründen. Diese mythologische Vorstellung vom Ursprung Japans und seiner kaiserlichen Linie bildet in allen späteren Systematisierungsversuchen des Shintō (z. B. im Yoshida-Shintō, in der Kokugaku oder im Staats-Shintō) eine zentrale Idee. Der Begriff „Shintō“ selbst taucht zwar bereits in dieser Zeit auf, wird aber nicht im Sinne einer systematischen Religion verwendet.[3] Das sogenannte „Götteramt“ (神祇官, Jingi-kan), die einzige antike Regierungsinstitution, die keinem chinesischen Vorbild entspricht, trägt eben nicht die Bezeichnung „Shintō-Amt“ (wie manchmal in der westlichen Literatur angegeben), sondern ist wörtlich die „Behörde für Götter des Himmels (, jin bzw. shin) und der Erde (, gi)“ – wiederum ein letztlich chinesisches Konzept.

    Shintō-buddhistischer Synkretismus

    Der im 6. und 7. Jahrhundert neu eingeführte Buddhismus stieß zwar anfangs im Rahmen der einheimischen Götterverehrung auf Widerstand, fand aber rasch Wege, die kami in sein Weltbild zu integrieren, und beeinflusste unter anderem die Bauwerke und später auch die Ikonografie der kami-Verehrung. Während der meisten Epochen der bekannten japanischen Religionsgeschichte herrschte daher zwischen Buddhismus und Shintō keine klare Trennung. Vor allem innerhalb der einflussreichen buddhistischen Richtungen Tendai und Shingon wurden Shintō-Gottheiten als Inkarnationen oder Manifestationen von Buddhas und Bodhisattvas aufgefasst. Buddha-Verehrung und kami-Verehrung diente somit – zumindest auf theoretischer Ebene – dem gleichen Zweck. Diese theologische Entwicklung begann in der Heian-Zeit und erreichte im japanischen Mittelalter (12.–16. Jahrhundert) ihren Höhepunkt. Sie ist als Theorie von „Urform und herabgelassener Spur“ bekannt, wobei die „Urform“ (本地, honji) den Buddhas, die „herabgelassene Spur“ (垂迹, suijaku) den kami entspricht.

    Die meisten kami-Schreine standen zwischen der späteren Heian-Zeit (10.–12. Jahrhundert) und dem Beginn der japanischen Moderne (1868) unter buddhistischer Supervision. Die großen shintōistischen Institutionen waren zwar in den Händen von erblichen Priester-Dynastien, die ursprünglich dem kaiserlichen Hof unterstellt waren, mit dem Niedergang des Hofes traten jedoch buddhistische Institutionen an seine Stelle. Lediglich der Ise-Schrein behielt dank seiner privilegierten Beziehung zum Hof eine Sonderstellung und entzog sich dem unmittelbaren Einfluss der buddhistischen Geistlichkeit. Kleinere Schreine wiederum hatten meist keine eigenen Shintō-Priester, sondern wurden von buddhistischen Mönchen oder von Laien betreut.

    Erste Shintō-Theologien

    Obwohl die meisten Shintō-Priester in dieser Zeit selbst gläubige Buddhisten waren, gab es einzelne Abkömmlinge der alten Priester-Dynastien und auch einige buddhistische Mönche, die sich mit der Idee, die kami unabhängig vom Buddhismus zu verehren, befassten. Auf diese Weise entstanden im japanischen Mittelalter die Richtungen Ise- bzw. Watarai-Shintō, Ryōbu-Shintō und Yoshida-Shintō. Besonders die letztgenannte Richtung präsentierte sich als rein auf die kami bezogene Lehre und stellt damit die Grundlage des modernen Shintō dar, buddhistische Vorstellungen spielten aber tatsächlich auch im Yoshida-Shintō eine zentrale Rolle. Eine fundamentale Kritik an den religiösen Paradigmen des Buddhismus wurde erst unter dem sogenannten shintō-konfuzianischen Synkretismus denkbar.

    Im Laufe der Edo-Zeit kam es immer wieder zu anti-buddhistischen Tendenzen, die auch den Ideen einer eigenständigen einheimischen Shintō-Religion immer stärkeren Zulauf bescherten. Im 17. Jahrhundert waren es vor allem konfuzianische Gelehrte, die nach Wegen suchten, die Lehren des chinesischen Neo-Konfuzianers Zhu Xi (auch Chu Hsi, 1130–1200) mit der Verehrung einheimischer Gottheiten zu kombinieren und so eine Alternative zum Buddhismus zu entwickeln. Im 18. und 19. Jahrhundert entstand schließlich eine Denkrichtung, die bemüht war, den Shintō von allen „fremden“, das heißt indischen und chinesischen Ideen zu reinigen und zu seinem „Ursprung“ zurückzufinden. Diese Schule heißt auf Japanisch Kokugaku (wörtlich Lehre des Landes) und gilt als Wegbereiterin des Staats-Shintō, wie er sich im Laufe des 19. Jahrhunderts im Zuge der Neuordnung des japanischen Staates herausbildete. Auf die allgemeine religiöse Praxis der Edo-Zeit hatte die Kokugaku allerdings nur geringen Einfluss. Somit blieb der shintō-buddhistische Synkretismus bis ins 19. Jahrhundert die vorherrschende Strömung innerhalb der japanischen Religion. Auch der zwanglose Zugang zu beiden Religionen im heutigen Japan fußt auf dieser Tradition.

    Moderne und Gegenwart

    Die Meiji-Restauration 1868 beendete die feudale Herrschaft der Tokugawa-Shōgune und installierte an ihrer Stelle einen modernen Nationalstaat mit dem Tennō als oberste Instanz. Shintō wurde als nationaler Kult definiert und als ideologisches Instrument zur Wiederbelebung der Macht des Tennō eingesetzt. Zu diesem Zweck wurde eigens ein Gesetz zur „Trennung von kami und Buddhas“ (Shinbutsu Bunri) erlassen, das die gemeinsame Verehrung von buddhistischen und shintōistischen Heiligtümern verbot. Im Gegensatz zu den meist lokal begrenzten Schreintraditionen wurden Shintō-Schreine nun landesweit zu Verehrungsstätten des Tennōs umgedeutet und jeder Japaner, ungeachtet seiner religiösen Überzeugung, war angehalten, dem Tennō in Form von Schreinbesuchen seine Reverenz zu erweisen. Aus Rücksicht auf die unter westlichem Einfluss verfassungsmäßig garantierte Religionsfreiheit wurde dieser Schreinkult aber nicht als religiöser Akt, sondern als patriotische Pflicht definiert. Diese Form der Verehrung wurde in der Zwischenkriegszeit als „Schrein-Shintō“ (jinja shintō), in der Nachkriegszeit dagegen zumeist als „Staats-Shintō“ (kokka shintō) bezeichnet. Daneben gab es aber auch die Kategorie „Sekten-Shintō“ (shuha shintō), in der verschiedene neureligiöse Bewegungen, die im Zuge der Modernisierung entstanden waren und sich selbst als shintōistisch definierten (Tenri-kyō, Ōmoto-kyō u. a.),[4] zusammengefasst wurden.

    Im aufkeimenden Militarismus der Shōwa-Zeit wurde Shintō dann weiter für nationalistische und kolonialistische Zwecke instrumentalisiert. Auch in den besetzten Gebieten Chinas und Koreas wurden Schreine errichtet, in denen die lokale Bevölkerung dem Tennō ihre Reverenz erweisen sollte. Nach der Niederlage Japans im Zweiten Weltkrieg 1945 kam es zu einem offiziellen Verbot des Shintō als Staatsreligion, im Jahre 1946 verzichtete der Tennō auf jeden Anspruch auf Göttlichkeit. Einzelne Institutionen, denen eine politische Nähe zum Staats-Shintō nachgesagt wird, etwa der Yasukuni-Schrein in Tokyo, existieren jedoch heute noch.

    Shamanism in Japan; By William P. Fairchild (https://nirc.nanzan-u.ac.jp/nfile/457) Hardacre, Helen (2017). Shinto: A History. Oxford: Oxford University Press. ISBN 978-0-19-062171-1 Eine epochemachende Erörterung dieses Themas findet sich im Aufsatz „Shinto in the History of Japanese Religion“ von Kuroda Toshio, Journal of Japaneses Studies 7/1 (1981); ähnliche Überlegungen enthalten aber bereits die „Bemerkungen zum sogenannten Ur-Shinto“ (PDF-Datei; 1,2 MB) von Nelly Naumann, MOAG 107/108 (1970), S. 5–13 Insgesamt wurden vor 1945 dreizehn neureligiöse Sekten offiziell als Sekten-Shintō bezeichnet.
    Weniger lesen

Wo kann man in der Nähe schlafen? Shintō ?

Booking.com
491.599 Besuche insgesamt, 9.211 Sehenswürdigkeiten, 405 Ziele, 71 besucht heute.