Kontext von Tschetschenien

Tschetschenien (tschetschenisch Нохчийн Республика, Noxçiyn Respublika, kurz: Нохчийчоь/Noxçiyçö, russisch Чеченская Республика/Tschetschenskaja Respublika, kurz: Чечня/Tschetschnja) ist eine im Nordkaukasus gelegene autonome Republik der Russischen Föderation. Die Region hat etwa 1,5 Millionen Einwohner und ist Heimat der überwiegend muslimischen Tschetschenen.

Die aus der Tschetscheno-Inguschischen ASSR hervorgegangene Republik war nach der Auflösung der Sowjetunion Schauplatz von zwei Kriegen zwischen teils islamistischen Separatisten und der russischen Zentralregierung, die zu schweren Zerstörungen führten. Der Konflikt endete mit dem Verbleib Tschetscheniens im russischen Staatsverband. Die tschetschenische Exilregierung ist Mitglied der UNPO. Teile der tschetschenischen Unabhängigkeitsbewegung wechselten 2007 zum Kaukasus-Emirat, das ebenfalls AnsWeiterlesen

Tschetschenien (tschetschenisch Нохчийн Республика, Noxçiyn Respublika, kurz: Нохчийчоь/Noxçiyçö, russisch Чеченская Республика/Tschetschenskaja Respublika, kurz: Чечня/Tschetschnja) ist eine im Nordkaukasus gelegene autonome Republik der Russischen Föderation. Die Region hat etwa 1,5 Millionen Einwohner und ist Heimat der überwiegend muslimischen Tschetschenen.

Die aus der Tschetscheno-Inguschischen ASSR hervorgegangene Republik war nach der Auflösung der Sowjetunion Schauplatz von zwei Kriegen zwischen teils islamistischen Separatisten und der russischen Zentralregierung, die zu schweren Zerstörungen führten. Der Konflikt endete mit dem Verbleib Tschetscheniens im russischen Staatsverband. Die tschetschenische Exilregierung ist Mitglied der UNPO. Teile der tschetschenischen Unabhängigkeitsbewegung wechselten 2007 zum Kaukasus-Emirat, das ebenfalls Anspruch auf Tschetschenien erhebt.

Seit Ende der Kriege begann eine wirtschaftliche Erholung und der Wiederaufbau der Region. Sie wird seither allerdings zunehmend diktatorisch von Ramsan Kadyrow regiert. Unter ihm kommt es regelmäßig zu schweren Menschenrechtsverletzungen wie außergerichtlichen Tötungen und Folter seiner Gegner, was von der russischen Regierung geduldet wird.

Mehr über Tschetschenien

Population, Area & Driving side
  • Bevölkerung 1492992
  • Fläche 16165
Verlauf
  • Zur früheren Geschichte: siehe Tschetschenen

    Die russische Einflussnahme in Tschetschenien begann bereits im 16. Jahrhundert, als 1559 die Kosakenfestung Tarki gegründet wurde und 1587 das erste Kosakenheer entstand. Zu dieser Zeit lebten die Tschetschenen allerdings noch im gebirgigen Südteil, die Ebenen im Norden wurden erst im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts allmählich besiedelt. Nachdem sich bis 1801 die orthodoxen Länder Georgien und Ossetien unter den Schutz Russlands vor den Osmanen gestellt hatten, wurde die Georgische Heerstraße gebaut, die nahe an Tschetschenien vorbeiführte. Sie stellte die strategisch wichtigste Verbindung Russlands nach Südkaukasien dar und war eine häufige Zielscheibe für Raubüberfälle der Tschetschenen und Inguschen. Im Gegenzug entsandte Russland immer wieder Strafexpeditionen in das Gebiet der Bergvölker. Auch die Terekkosaken siedelten sich in Tschetschenien an.

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    Zur früheren Geschichte: siehe Tschetschenen

    Die russische Einflussnahme in Tschetschenien begann bereits im 16. Jahrhundert, als 1559 die Kosakenfestung Tarki gegründet wurde und 1587 das erste Kosakenheer entstand. Zu dieser Zeit lebten die Tschetschenen allerdings noch im gebirgigen Südteil, die Ebenen im Norden wurden erst im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts allmählich besiedelt. Nachdem sich bis 1801 die orthodoxen Länder Georgien und Ossetien unter den Schutz Russlands vor den Osmanen gestellt hatten, wurde die Georgische Heerstraße gebaut, die nahe an Tschetschenien vorbeiführte. Sie stellte die strategisch wichtigste Verbindung Russlands nach Südkaukasien dar und war eine häufige Zielscheibe für Raubüberfälle der Tschetschenen und Inguschen. Im Gegenzug entsandte Russland immer wieder Strafexpeditionen in das Gebiet der Bergvölker. Auch die Terekkosaken siedelten sich in Tschetschenien an.

     Kesenoiam-Bergsee in Tschetschenien Tschetschenisches Dorf (Aul) im 19. Jahrhundert

    Die Bergvölker widersetzten sich zäh den Russen. In den so genannten Muridenkriegen von 1828 bis 1859 wurden sie von Imam Schamil, einem Dagestaner, angeführt. Nach seiner Gefangennahme 1859 dauerte es noch bis 1864, bis die russischen Offiziere das Land durch weitere Kriegsmaßnahmen unter ihre Verwaltung gebracht hatten. Allerdings erstreckte sich ihre Macht nur auf die militärischen Stützpunkte entlang der Heerstraßen. Obwohl die russischen Truppen zahlenmäßig und waffentechnisch weit überlegen waren, leistete ein großer Teil der Bergbevölkerung weiteren Widerstand. Während des Russisch-Osmanischen Kriegs (1877–1878) erhoben sich die Kaukasier erneut gegen Russland. Dieser Aufstand wurde niedergeschlagen. Die russische Besatzung löste eine Auswanderungs- und Deportationswelle aus, die bis zum Ende des 19. Jahrhunderts anhielt. Tausende Kaukasier wurden in das Osmanische Reich (das damals außer der heutigen Türkei auch alle Länder des vorderen Orients einschloss) deportiert oder flüchteten dorthin.(→Muhacir) In den eingenommenen Städten und Dörfern wurden unter anderem Kosaken und Armenier angesiedelt. Tschetschenien gehörte während des Bestehens des Russischen Reiches zur Oblast Terek.

     Die Hauptstadt Grosny

    In Folge des Zerfalls des Russischen Kaiserreiches nach der Februarrevolution und der Oktoberrevolution bildete sich ab 1917 im Nordkaukasus die Bergrepublik, die bis 1918/19 bzw. 1920 bestand und von der weißen Freiwilligenarmee unter General Anton Iwanowitsch Denikin zerschlagen wurde. Schließlich wurde das Gebiet Anfang 1920 von der Roten Armee unter Sergo Ordschonikidse erobert.

    1921 wurde Tschetschenien Teil der Sowjetischen Gebirgsrepublik und 1922 Autonomes Gebiet, das seinerseits 1934 mit dem inguschischen Autonomen Gebiet zum Tschetscheno-Inguschischen Autonomen Gebiet vereint wurde und 1936 den Status einer ASSR erhielt.[1] 1939 lebten in Tschetschenien 622.000 Menschen, von denen 58 % Tschetschenen und 34,3 % Russen waren.

    Nach einer anfänglichen, vergleichsweise liberalen Phase unter Lenin, in der die Sprachen kleinerer Völker, darunter auch das Tschetschenische, zur Schriftsprache ausgebaut und gefördert wurden (Korenisazija), kehrte die Sowjetunion unter Stalin bald zu einer repressiven Kulturpolitik zurück, die speziell in Tschetschenien zu Unzufriedenheit führte. Ab 1939 kam es dort zu ersten Unruhen, bevor 1940/41 ein anti-sowjetischer Aufstand unter Führung von Hassan Israilow begann. Die Rebellion der Tschetschenen und anderer Kaukasusvölker wurde auch von einigen deutschen Saboteuren unterstützt (→Unternehmen Schamil). Tatsächlich unterstützten nur wenige Tschetschenen den Aufstand Israilows, der 1943 über rund 18.000 Unterstützer verfügte.[2] Ob der tschetschenisch-nationalistisch gesinnte Ex-Kommunist Israilow seine Hoffnungen in die Wehrmacht steckte und zur Kollaboration bereit war, wird kontrovers diskutiert.[3] Es gab allerdings nur kurzzeitig wenige Kontakte von Ende August bis Anfang Dezember 1942. Nachdem die deutsche Wehrmacht nicht bis nach Tschetschenien hatte vordringen können, wurde der Aufstand nach anfänglichen Erfolgen schnell niedergeschlagen.

    Wegen der unter Historikern in ihrem Ausmaß umstrittenen Kollaboration mit den deutschen Besatzern beschloss die sowjetische Führung nach der Rückeroberung der Region die ausnahmslose gewaltsame Deportation aller Tschetschenen und Inguschen nach Zentralasien, speziell nach Kasachstan und Kirgisistan. Zuständig für die Deportation war Lawrentij Berija, Volkskommissar für innere Angelegenheiten (NKWD), die unmittelbare Durchführung der Deportation lag bei Berijas Stellvertreter Iwan Serow.

    Im Februar 1944 wurden 408.000 Tschetschenen und 92.000 Inguschen vom NKWD in Viehwaggons nach Kasachstan und Mittelasien deportiert.[1] Bei der Deportation starben nach offiziellen Zahlen etwa 13.000 Menschen; wenngleich einige Historiker schätzen, dass bis zu 25 % der Deportierten in den ersten vier Jahren starben. Personen, die Widerstand gegen die Deportation leisteten, wurden meist hingerichtet, zum Teil kam es auch zu wahllosen Tötungen, so etwa im Dorf Chaibach, wo unter der Leitung des Georgiers Michail Gwischiani[4] über 700 Menschen in einer Scheune verbrannt wurden.[5] Die sowjetische Republik Tschetscheno-Inguschetien wurde aufgelöst und kleinere Bereiche wurden den angrenzenden Republiken zugeteilt. Zu einem großen Teil wurde das Gebiet in die neu geschaffene Oblast Grosny integriert. In die verlassenen tschetschenischen Dörfer zogen zum Teil Neuankömmlinge aus dem Westen der Sowjetunion, deren Heimat vom Krieg zerstört worden war; meist waren dies Russen und Ukrainer.[1] In vielen Fällen wurden tschetschenische Kultur- und Baudenkmäler zerstört.

    Nach Stalins Tod setzte unter Nikita Chruschtschow eine Entspannung ein. Chruschtschow erlaubte den Tschetschenen 1957, in ihre Heimat zurückzukehren und rehabilitierte sie offiziell. Die Tschetscheno-Inguschische ASSR wurde wiederhergestellt, das Tschetschenische als lokale Amtssprache wieder zugelassen. Einige Gebiete, die 1944 an Nordossetien abgetreten worden waren, wurden jedoch nicht an Tschetscheno-Inguschetien zurückgegeben. Es erhielt im Gegenzug dazu Territorium, das vor dem Zweiten Weltkrieg zur Region Stawropol gehört hatte, mehrheitlich von Russen bewohnt war und in dem 1939 keine Tschetschenen gelebt hatten. Dabei handelte es sich um die heute im Norden Tschetscheniens gelegenen Rajons Naurski und Schelkowskoi, die rund ein Drittel der Fläche des heutigen Tschetscheniens ausmachen.

    Als die Tschetschenen in großen Zahlen wieder zurückkehrten, kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen den heimkehrenden Tschetschenen und den dort lebenden Russen und Ukrainern. Manche von diesen hatten sich erst ab 1944 in Tschetschenien niedergelassen, inzwischen aber eine Existenz dort aufgebaut und nahmen tschetschenische Besitzansprüche als Bedrohung wahr. Hinzu kam, dass viele alteingesessene Russen die Tschetschenen noch immer als Nazi-Kollaborateure betrachteten. Teilweise schwelten diese Konflikte unter der Oberfläche weiter und kamen erst nach dem Ende der Sowjetunion zum Ausbruch. So war etwa Grosny bis 1991 eine Stadt mit zwei Parallelgesellschaften, von denen eine aus Tschetschenen, die andere aus Russen, Armeniern und Ukrainern bestand.

    Beim Zensus von 1959 waren in Tschetschenien wieder knapp 40 % der Bevölkerung Tschetschenen und 49,4 % Russen. Aufgrund höherer Geburtenrate und Abwanderung anderer Volksgruppen stieg der Bevölkerungsanteil der Tschetschenen in den nachfolgenden Jahrzehnten, während die Russen zunehmend in die Minderheit gerieten – auch in Naurski und Schelkowskoi, wo sie historisch die Bevölkerungsmehrheit darstellten. In den 1970er-Jahren verloren die Russen ihre Bevölkerungsmehrheit in den beiden letztgenannten Distrikten, nur in der Hauptstadt Grosny bildeten sie noch die Mehrheit. Bis 1989 stieg der Bevölkerungsanteil der Tschetschenen auf 66 %.

    Als sich der Zerfall der Sowjetunion abzeichnete, kam auch in Tschetschenien eine separatistische Bewegung auf. Boris Jelzin warb 1990 für weitreichendere Autonomierechte für Tschetschenien und hoffte so (erfolglos), dortige Nationalisten zu beschwichtigen.

    Ausrufung der Tschetschenischen Republik Itschkerien

    Zur Sowjetzeit hatten verschiedene Regionen einen unterschiedlichen Status erhalten. Regionen, die als Sozialistische Sowjetrepubliken in das System der UdSSR integriert waren, wurden nach 1991 als unabhängige Staaten anerkannt (z. B. Kasachstan oder die Ukraine). Autonome Sowjetrepubliken wiederum waren Teil einer übergeordneten Sowjetrepublik, im Falle Tschetscheniens war dies die Russische Sowjetrepublik.

    Im September 1991, als die Auflösung der Sowjetunion nur noch eine Formalie war, wurde der bisherige, pro-russische Regierungschef Tschetscheniens, Doku Sawgajew, durch den ehemaligen Luftwaffengeneral und Nationalisten Dschochar Dudajew abgelöst. Dudajew leistete seinen Amtseid auf den Koran und strebte als neuer Regierungschef die Unabhängigkeit an. Kurz darauf trennte sich Inguschetien von Tschetschenien und entschied sich für einen Verbleib bei Russland.

    Noch im Oktober organisierte Dudajew ein umstrittenes Unabhängigkeitsreferendum. Am 27. Oktober 1991 stimmten bei einer Wahlbeteiligung von 72 % angeblich über 90 % für die Unabhängigkeit. Moskau-freundliche tschetschenische Politiker wie Ruslan Chasbulatow zweifelten das Ergebnis und die Durchführung an und bestritten, dass es eine Mehrheit für die Unabhängigkeit gebe.[6] Der Historiker John B. Dunlop hingegen schätzt, dass zu jenem Zeitpunkt etwa 60 % der Bevölkerung Tschetscheniens eine Unabhängigkeit befürworteten.[7] Weder der sowjetische Präsident Michail Gorbatschow noch sein Nachfolger, der russische Präsident Boris Jelzin, erkannten dies an.

    Am 1. November 1991 erklärte Dudajew einseitig die Unabhängigkeit Tschetscheniens. Russland akzeptierte die Entscheidung nicht, erklärte Dudajews Regierung für nicht legitim und verhängte den Ausnahmezustand über Tschetschenien. Truppen des russischen Innenministeriums wurden jedoch zurückgeschlagen.

    Russland versuchte weiterhin, Einfluss auf Tschetschenien zu nehmen, und unterstützte dort pro-russische Politiker. De facto war Tschetschenien nun aber unabhängig, wenngleich internationale Anerkennung ausblieb. Die einzigen Ausnahmen waren Georgien in der Regierungszeit von Swiad Gamsachurdia zwischen 1991 und 1992 und das Islamische Emirat Afghanistan.

    Dudajew verfolgte innenpolitisch eine anti-russische Politik, versuchte die russische Sprache zu verdrängen, schaffte das kyrillische Alphabet ab und belebte das tschetschenische Clansystem neu. Durch Diskriminierung und teils offene Gewalt wurden die meisten nicht-tschetschenischen Bewohner in die Flucht getrieben. Die Wirtschaft der Region kollabierte und die Kriminalität blühte auf[8]. Dudajew war wegen seiner erfolglosen Wirtschaftspolitik auch in Tschetschenien höchst umstritten und immer Kritik aus den eigenen Reihen ausgesetzt. Unterdessen steigerte er seine anti-russische Rhetorik immer weiter und behauptete schließlich sogar, Russland verursache Erdbeben in Armenien und Georgien, um damit Tschetschenien zu schaden.[9] 1993 kam es zu Konflikten zwischen dem Parlament und Dudajew, gegen den sich eine breite Opposition, auch unter Unabhängigkeitsbefürwortern, und kurz darauf eine pro-russische Gegenregierung bildete.

    Erster Tschetschenienkrieg

    Im Herbst 1994 unterstützte Russland einen Putsch des pro-russischen Politikers Umar Awturchanow, der jedoch scheiterte. Bei den Versuchen, Awturchanow und dessen Unterstützer aus Grosny zu befreien, wurden bis zu 70 russische Soldaten und pro-russische Milizionäre gefangen genommen und ein Kampfhubschrauber über Grosny abgeschossen. Daraufhin stellte der russische Präsident Jelzin den Tschetschenen ein Ultimatum, das sie jedoch verstreichen ließen.

    Am 11. Dezember 1994 begann damit der Erste Tschetschenienkrieg, als russische Truppen nach Tschetschenien einrückten. Ursprünglich plante Russland, die Region innerhalb weniger Tage einzunehmen und anschließend wieder einzugliedern, der Feldzug entwickelte sich jedoch zum Desaster. Die russischen Verbände bestanden zu einem großen Teil aus unerfahrenen Wehrdienstleistenden oder waren erst kürzlich neu formiert worden und besaßen wenig inneren Zusammenhalt. Nach anfänglichen Erfolgen gestaltete sich bereits die Einnahme Grosnys als verlustreich und langwierig. Die russische Kampfmoral war von Anfang an gering, die tschetschenischen Kräfte erhielten massive Unterstützung aus dem Ausland, besonders aus der islamischen Welt, und wechselten zur Guerillakriegsführung. Die Kampfhandlungen dehnten sich auf angrenzende Regionen aus, so etwa wie im Falle der Geiselnahme von Budjonnowsk. Die russischen Verluste waren während des ganzen Krieges äußerst hoch und führten zu Widerstand in der russischen Bevölkerung. Im August 1996 gelang es den Tschetschenen, Grosny zurückzuerobern. Die russische Armee verlor dabei mehrere hundert Soldaten und erlitt eine dramatische und demütigende Niederlage.

    Daraufhin schloss Russland, vertreten durch General Alexander Lebed, einen Friedensvertrag mit Tschetschenien und zog sich zurück. Der Vertrag bestätigte zwar die Eigenstaatlichkeit des Landes nicht, akzeptierte aber de facto die Regierung der Rebellen als Verhandlungspartner und sah weitere Gespräche mit ihnen vor.

    Der Krieg hatte auch auf tschetschenischer Seite viele Opfer gefordert und die wirtschaftliche Lage war nun noch prekärer als zuvor. Dies führte zur Radikalisierung weiter Teile der tschetschenischen Gesellschaft und Führung. Der saudische Wahhabismus hatte ebenso wie dschihadistische Ideen Einzug gehalten. Zwischen 1996 und 1999 wurde die Scharia in Tschetschenien eingeführt; im Zuge der islamistischen Gewaltherrschaft, die von willkürlichen Übergriffen auf die Zivilbevölkerung gekennzeichnet war, wurden andere Kultureinflüsse verboten und bereits für kleine Delikte die Todesstrafe verhängt.[10]

     Moschee in Gudermes Scharoargun-Fluss in Tschetschenien

    1997 wurde Aslan Maschadow bei Neuwahlen Präsident. Er behauptete sich jedoch nicht gegen die immer stärker werdenden radikalen Gruppierungen, die von eingeströmten ausländischen, zumeist arabischen Kriegsherren ideologisch inspiriert, finanziert und teilweise angeführt wurden. Mit der Zeit ließ sich Maschadow immer mehr auf eine Kooperation mit ihnen ein. Am 21. Mai 1998 hatte eine wahhabitische Gruppe versucht, das Dagestaner Regierungsgebäude zu stürmen. Ein Terroranschlag in Machatschkala, der Hauptstadt der benachbarten russischen Republik Dagestan, am 4. September, bei dem 17 Personen ums Leben kamen, wurde ebenso den tschetschenischen Terroristen angelastet wie die Tötung des als gemäßigt geltenden Oberhauptes der Muslime Dagestans, Mufti Said Muhammad Abubakarow.

    Zweiter Tschetschenienkrieg

    Am 7. August 1999 marschierten wahhabitische Einheiten unter Führung von Schamil Bassajew und Ibn al-Chattab in Dagestan ein, um es einem islamisch-fundamentalistischen Kalifatstaat anzuschließen, der langfristig den ganzen Nordkaukasus umfassen sollte. Es kam zu schweren Gefechten mit der russischen Armee. Bis Ende September 1999 wurden die tschetschenischen Einheiten aus Dagestan vertrieben.

    Sowohl vor als auch nach dem Einfall in Dagestan hatte es andere Terroranschläge auf russischem Gebiet gegeben, insbesondere in Wolgodonsk und Moskau. Die russische Regierung machte tschetschenische Separatisten für die Taten verantwortlich; die Tschetschenen bestritten das jedoch. Eine 2002 initiierte öffentliche Kommission kam zu dem Schluss, dass nicht tschetschenische Terroristen, sondern der Geheimdienst FSB hinter den Anschlägen stünde. Daraufhin kam es zu mehreren unnatürlichen Todesfällen von führenden Kommissionsmitgliedern, politisch motivierten Verfahren und Verurteilungen, Todesfällen unter ungeklärten Umständen, sowie Körperverletzungen. Zum Vorfall in Rjasan erläuterte der Chef des FSB, die Sprengvorrichtung im Keller des Wohnhauses sei nur eine Attrappe gewesen, sie habe bloß Zucker enthalten. Der FSB habe nur eine „Übung“ durchgeführt.

    1999 kündigte Wladimir Putin, damals im Amt des Ministerpräsidenten, eine militärische Lösung des Tschetschenien-Konfliktes an, um es wieder unter die vollständige Kontrolle der russischen Zentralregierung zu stellen. Am 1. Oktober 1999 marschierte die russische Armee in Tschetschenien ein und begann mit einer breit angelegten sogenannten „Antiterror-Operation“ den Zweiten Tschetschenienkrieg. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger gelang es Putin, die Kämpfe schnell zu beenden und Tschetschenien vollständig unter russische Kontrolle zu bringen. Die de facto Existenz des unabhängigen Staates wurde damit beendet und die Region erhielt wieder den Status einer autonomen Republik innerhalb Russlands. Die heute noch aktive Rebellenbewegung in Tschetschenien hält allerdings noch an dem Terminus Tschetschenische Republik Itschkerien fest. Offiziell für beendet erklärt wurde der Zweite Tschetschenienkrieg von russischer Seite erst 2009.

    Nach dem Kriegsgeschehen  Neuangelegte Promenade in Grosny Der 4261 m hohe Komito an der Grenze zu Georgien

    Vor allem die Hauptstadt Grosny, aber auch andere Städte und einige Dörfer waren weitgehend zerstört; viele Menschen, darunter auch ein großer Teil der sehr gut Ausgebildeten, hatten die Republik verlassen. Es folgte eine von Terroranschlägen, Gewalt und Menschenrechtsverletzungen geprägte Zeit. Am 23. Oktober 2002 nahmen tschetschenische Terroristen unter Führung von Mowsar Barajew bei der Aufführung des Stückes „Nord-Ost“ im Moskauer Dubrowka-Theater etwa 700 Geiseln und forderten von der russischen Regierung den sofortigen Abzug des russischen Militärs aus Tschetschenien. Bei der umstrittenen Befreiungsaktion durch Spezialeinheiten unter Einsatz von Betäubungsgas kamen 41 Terroristen sowie 129 Geiseln ums Leben.

    Bei den Präsidentschaftswahlen am 5. Oktober 2003 wurde Achmat Kadyrow, der Chef der Verwaltungsbehörde, Präsident. Kadyrow, eine ehemalige Schlüsselfigur der Unabhängigkeitsbewegung, hatte zuvor die Seiten gewechselt. Die Wahl wurde von einigen westlichen Politikern und vom bisherigen von Russland nicht anerkannten Präsidenten Maschadow als Farce bezeichnet. Maschadow tauchte in den Untergrund ab und rief zum weiteren Kampf gegen die neue Regierung und gegen Russland auf. Ein Bombenanschlag auf das tschetschenische Regierungsgebäude in Grosny am 27. Dezember 2002 forderte 72 Todesopfer. 2002 wurden 5695 Menschen in Tschetschenien Opfer von Landminen. Im Februar 2003 erließen die Vereinigten Staaten Sanktionen gegen tschetschenische Terrorgruppen und setzten sie auf ihre Liste terroristischer Organisationen, unter anderem infolge der Bombenattentate in Moskau. Außerdem wurden verdächtige Bankkonten von den Vereinigten Staaten eingefroren.

    Bei einer Volksbefragung in Tschetschenien am 23. März 2003 stimmten laut offiziellem Ergebnis 95,5 Prozent der Bevölkerung für den Verbleib in der Russischen Föderation. Nach diesem Referendum erhielt die Republik durchgehend ein föderales Budget zur Finanzierung des Wiederaufbaus. Laut dem Buch Die Moskau-Connection standen die Ergebnisse der angeblichen Volksbefragung bereits zuvor fest. Ähnlich sei es bei der Präsidentschaftswahl im Spätsommer 2004 gewesen.[11]

    Am 9. Mai 2004 wurde Präsident Kadyrow bei einem Bombenanschlag getötet. Gewählter Nachfolger Kadyrows wurde im August 2004 Alu Alchanow. Im Juni 2004 erklärte der im Untergrund lebende Maschadow in einem Radiointerview, die tschetschenischen Rebellen seien dabei, ihre Taktik zu ändern. „Bislang haben wir uns auf Sabotageakte konzentriert, von nun an werden wir Großangriffe starten.“ Am 21. Juni 2004 drangen nach Augenzeugenberichten etwa 100 bis 200 schwer bewaffnete Kämpfer aus Tschetschenien in die Nachbarrepublik Inguschetien ein und umstellten mehrere Polizeistationen und eine Kaserne von Grenzsoldaten. Zahlreiche Polizisten, Soldaten sowie Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft und des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB wurden erschossen, weiterhin 102 Zivilisten sowie der inguschetische Innenminister Abukar Kostojew. Im August 2004 sprengten zwei vermutlich tschetschenische Selbstmordattentäterinnen zwei russische Tupolew-Passagiermaschinen und töteten etwa 90 Menschen. Am 1. September 2004 stürmten tschetschenische Terroristen eine Schule in Beslan und nahmen mehr als 1100 Geiseln, zum größten Teil Kinder, um die Entlassung von in Inguschetien inhaftierten tschetschenischen Gesinnungsgenossen und den Abzug Russlands aus Tschetschenien zu erwirken. Nach erfolglosen Verhandlungen wurde die Schule unter umstrittenen Umständen von der russischen Armee gestürmt. Dabei kamen mehr als 300 Geiseln ums Leben. Die Verantwortung für beide Terroranschläge übernahm später der Anführer der tschetschenischen Freischärler, Schamil Bassajew (vgl. Geiselnahme von Beslan).

    Am 8. März 2005 wurde Maschadow bei einer Spezialoperation des FSB in der Ortschaft Tolstoi-Jurt getötet, nachdem er angeblich erst eine Woche zuvor erneut Gesprächsbereitschaft zugesagt hatte. Der nominelle Präsident der Gegenregierung war danach bis zum 17. Juni 2006 Scheich Abdul Halim Sadulajew. Er wurde von russischen Truppen während einer antiterroristischen Operation in seiner Heimatstadt Argun getötet. Als sein Nachfolger galt wiederum der Feldkommandant der Rebellen Doku Umarow, der sich 2007 zum Emir eines neu ausgerufenen „Kaukasus-Emirats“ erklärte.

    Seit dem 1. März 2007 ist Ramsan Kadyrow, der Sohn des getöteten prorussischen Präsidenten Achmad Kadyrow, Präsident des Landes. Am 5. April 2007 wurde er vereidigt. Anfang 2011 wurde seine Amtszeit um weitere vier Jahre verlängert. Seit Herbst 2010 trägt Kadyrow nicht mehr die Bezeichnung Präsident, sondern „Oberhaupt“ der Republik. Zur Absicherung seiner Machtstellung im Inneren, aber auch als bewaffnete Kräfte in äußeren Konflikten dient die paramilitärische Sicherheitstruppe der Kadyrowzy.

    In der Tschetschenischen Republik ist es im sozioökonomischen Bereich in den letzten Jahren zu starken Verbesserungen gekommen, auch die Gewalt hat merklich abgenommen. Dennoch besteht im Vergleich zu anderen russischen Regionen nach wie vor Aufholbedarf. Der Wiederaufbau wird von Seiten der tschetschenischen Behörden als noch nicht abgeschlossen angesehen, und auch aus dem föderalen Zentrum wird in den nächsten Jahren noch Geld in diesen weiteren Wiederaufbau fließen.

    Ramsan Kadyrow regiert Tschetschenien seitdem autokratisch, ihm werden schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen.[12] Die Zahl der Vermissten und Ermordeten hat im Jahr 2009 deutlich zugenommen. Kadyrow und in Folge der Bürgermeister von Grosny, Muslim Chutschiejew, haben öffentlich geäußert, dass sie Familien, die Verwandte in den Wäldern – damit sind Rebellen gemeint – haben, bestrafen werden. Abbrennen der Häuser, Folter und Mord sind die Methoden der sogenannten Kadyrowskys, der Kadyrow unterstehenden Milizen.[13] Für den Kreml wird Kadyrow mit seiner absolutistischen Herrschaftsform immer weniger kontrollierbar. Mit aller Härte geht er gegen die islamistischen Extremisten vor und sorgt somit in den Augen der russischen Führung für den „Frieden“. Die Reichweite seiner Machtbefugnisse ist so weit gegangen, dass er selbst die Autorität der direkt Moskau unterstellten Sicherheitsorgane in Tschetschenien nicht mehr anerkennt und seine damit verbundene Unzufriedenheit offen zum Ausdruck bringt. So etwa kritisierte Kadyrow einen Anti-Terror-Einsatz des russischen Innenministeriums, mit dem er die Macht in Tschetschenien nicht teilen will, in Grosny im Jahr 2015. Seiner Unantastbarkeit scheint sich Kadyrow sicher zu sein: „Solange mich Putin unterstützt, kann ich tun, was ich will.“[14]

    Im Jahr 2013 ist die Zahl der Menschen aus der Russischen Föderation, die in den 44 Industriestaaten Asyl gesucht haben, auf 39.779 Personen angestiegen, was Platz 2 unter den Herkunftsländern bedeutete.[15] Verantwortlich ist an erster Stelle eine starke Zunahme von Flüchtlingen aus Tschetschenien. Im Jahr 2017 stieg die Anzahl von im Verlauf von Kampfhandlungen Getöteter wieder massiv an, um ganze 74 % gemäß den zugänglichen Daten. Opfer von Kampfhandlungen und Terroranschlägen wurden mindestens 50 Menschen, wovon 34 starben und 16 verletzt wurden[16].

    Im Mai 2018 wurde in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny eine orthodoxe Kirche angegriffen. Infolge des Angriffs wurden zwei Polizeibeamte und eine weitere Person getötet. Die Terrororganisation „Islamischer Staat“ reklamierte den Anschlag für sich. Der tschetschenische Machthaber Kadyrow hat jedoch diese Information bestritten mit der Begründung, dass es „in Tschetschenien keinen ‚Islamischen Staat‘ gibt“.[17]

    Im Oktober 2022 bezeichnete das ukrainische Parlament die „Tschetschenische Republik Itschkerien“ als ein „vorübergehend von Russland besetztes“ Gebiet.[18]

    ↑ a b c Theodore Shabad: The Geography of the USSR. Oxford University Press London First Edition 1951 gzt.ru (Memento vom 19. Dezember 2007 im Internet Archive)Vorlage:Webarchiv/Wartung/Linktext_fehlt Sein enger Vertrauter Abdurakhman Avtorkhanov versucht, ihn nach dem Krieg gegen den Verdacht zu verteidigen, und stellt es so dar, dass auch Israilow Vorbehalte gegen die deutsche Besatzung hatte. Sollten die „Tagebücher“ von Israilow stammen – was seinerseits umstritten ist – war er bereit zur Zusammenarbeit. Vgl. Artikel Hassan Israilow. General Mikhail Maksimovich Gvishiani Norman M. Naimark: Flammender Haß. Ethnische Säuberungen im 20. Jahrhundert. Frankfurt a. M. 2008, S. 125–126. Wood, Tony. Chechnya: The Case for Independence. Seite 51 Dunlop, John B. Russia confronts Chechnya: roots of a separatist conflict. Seiten 114–15. Abubakarov, Taimaz. Rezhim Dzhokhara Dudayeva Wood, Tony. Chechnya: the Case for Independence. Seite 61 Die Islamisten kämpfen global, in: FAZ, 5. September 2004. Reinhard Bingener, Markus Wehner: Die Moskau Connection. Das Schröder-Netzwerk und Deutschlands Weg in die Abhängigkeit. C. H. Beck, München 2023, S. 99. Tschetschenien – Vergessen auf Befehl. Arte-Doku, 3. März 2015, abgerufen am 3. März 2015. Jonathan Littell Tschetschenien Jahr III 2009 S. 19 ff Benjamin Bidder: Kadyrows Schießbefehl gegen Russen: Putins Kettenhund rebelliert. In: Spiegel Online. 24. April 2015 (spiegel.de [abgerufen am 27. Dezember 2017]). UNHCR: Asylum Trends 2013 S. 25; in Deutschland und Österreich bildeten Asylsuchende aus der Russischen Föderation die größte Gruppe, S. 39 http://www.kavkaz-uzel.eu/articles/315124/ Terroranschlag in Tschetschenien: orthodoxe Kirche angegriffen. Abgerufen am 2. Juli 2018. Ukraine lawmakers brand Chechnya 'Russian-occupied' in dig at Kremlin. Abgerufen am 19. Oktober 2022.
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