Via Giulia

( Via Giulia (Rom) )

Die Via Giulia ist eine historische Straße in der römischen Altstadt. Die Anlage der Straße wurde 1508 von Papst Julius II., dessen Namen sie trägt, bei Donato Bramante in Auftrag gegeben. Auf der Länge von etwa 1 km verbindet sie die Rioni Regola und Ponte. Anlässlich ihrer 500-jährigen Geschichte fanden 2008 zahlreiche Veranstaltungen statt; einige Kirchen und Paläste wurden restauriert und für Besucher geöffnet.

Das Gebiet des antiken Marsfelds[1] entwickelte sich seit dem frühen Mittelalter zu einem der am dichtesten besiedelten Stadtteile (Abitato) Roms. Das Gewirr von engen Gässchen war lediglich von drei engen Durchgangsstraßen durchzogen: die Via Papalis[2], die Via Peregrinorum (Pilgerstraße)[3] und die Via Triumphalis[4]. Durch diese Straßen, hin zum Flaschenhals der Engelsbrücke zwängten sich seit dem Mittelalter fast täglich feierliche Prozessionen. Bereits in dem von Papst Bonifatius VIII. ausgerufenen, ersten Heiligen Jahr 1300 war der Andrang auf der Brücke zur Engelsburg so groß, dass man, wie Dante Alighieri in der Göttlichen Komödie[5] beschreibt, eine Art Gegenverkehrs-System einrichten musste, um Stau oder Panik zu vermeiden. Ab der Rückkehr Papst Martin V. nach Rom im Jahr 1420 nahmen besonders in den Jubeljahren die Pilgermassen wieder enorm zu. Im Jahre 1450 kam es auf der Brücke zu einer Panik, bei der 172 Personen ums Leben kamen.

Als Folge der Katastrophe von 1450 wurde auf Befehl Papst Nikolaus V. die Engelsbrücke von Buden und Verkaufsständen geräumt und erste städtebauliche Maßnahmen in der Zone veranlasst. Um den Pilgerweg über die Engelsbrücke zu entlasten, veranlasste Papst Sixtus IV. 1475 den Wiederaufbau der nach ihm benannten Ponte Sisto über den Tiber (Inschrift), damit wurden die Stadtteil Regola und Trastevere verbunden. Gleichzeitig ließ er die Via Pelegrinorum und das Viertel um den Campo de’ Fiori (Inschrift) sanieren. Laut Bericht des Chronisten Stefano Infessura waren aber auch strategische Gründe für diese Projekte maßgebend.[6] Papst Alexander VI. verfügte 1497 die Verbreiterung der Via Pelegrinorum[7] (Abb.) und nahm die Sanierung der Via della Lungara am rechten Ufer des Tiber vom Ponte Sisto nach Sankt Peter in Angriff.

Das Projekt Papst Julius II.  Inschrift Julius II. 1512

Eines der Projekte Papst Julius II. zur Stadterneuerung war, neben dem Neubau der Peterskirche, die Anlage einer neuen repräsentativen Straße durch das am dichtesten bewohnte Viertel Roms, vom Ponte Sisto bis zum Viertel der Florentiner Kaufleute im Tiberbogen. Ausgehend vom Ponte Sisto gab er den Auftrag, rechts und links des Tiber zwei neue gerade Straßen anzulegen: Die Via Giulia und eine gerade Straße entlang des rechten Ufers des Tiber von der Porta Septimiana zum Ospedale Santo Spirito in Sassia, die Via della Lungara, um den Pilgerweg nach Sankt Peter zu entlasten. Diese Vorhaben sollten den Ruhm des Pontifex als Einiger Italiens und Erneuerer Roms repräsentieren. Eine Inschrift in der Via dei Banchi Nuovi[8] bekundet diese Absicht.

Um 1508 beauftragte Papst Julius II. Donato Bramante, den Baumeister der neuen Peterskirche, eine repräsentative Straße und ein zentrales kommunales Verwaltungszentrum im dichtest bevölkerten und eng verbauten Marsfeld anzulegen. Giorgio Vasari schreibt: Der Papst entschloss sich, unter Bramantes Leitung in der Via Giulia alle öffentlichen Büros und Gerichtshöfe Roms an einem Ort zusammenzuführen, in Anbetracht des Komforts, den es für die Angestellten bedeuten würde, die ihre Tätigkeiten bis dahin stets unter sehr beschwerlichen Bedingungen verrichtet hatten.[9] Das zentrale Gerichts- und Verwaltungszentrum sollte auch den Kaufleuten dienen. Die bereits unter Papst Sixtus IV., der Onkel von Papst Julius II., begonnenen Infrastruktur-Projekte in den Rioni Regola, Ponte und Parione sollten die Renovatio Romae vollenden.

Vor allem aber beabsichtigte Julius II. das neue Stadtzentrum mit der riesigen Verwaltungszentrale, dem Palazzo dei Tribunali, an ein repräsentatives Forum zwischen dem Palazzo und der alten Cancelleria an die neue Straße zu verlagern, weg vom Kapitol. Damit sollte die päpstliche Macht von der Abhängigkeit der mächtigen Adelsfamilien der Stadt, vor allem den Orsini und Colonna, eingedämmt werden. Eine engere wirtschaftliche Bindung an die toskanischen Bankiers, vor allem an Agostino Chigi, wurde angestrebt und befördert.

Allerdings kam bereits 1511 mit der Einigung zwischen den jahrhundertelang verfeindeten Familien Orsini und Colonna der Pax Romana das gesamte Projekt Via Giulia zum Stillstand und der Bau des Palazzo dei Tribunali wurde schließlich eingestellt. Bis auf einige Rustika-Blöcke zwischen der Via del Gonfalone und dem Vicolo del Cefalo ist von dem Palast nichts geblieben.

Die Via Giulia im 16. und 17. Jahrhundert  Stich Vasi: Fontana di Ponte Sisto am Ospedale dei Mendicanti

Nach dem Tod Julius II. 1513 setzte der Nachfolger Papst Leo X. aus dem Haus Medici die Baumaßnahmen fort. Hauptsächlich im nördlichen Teil der Straße zwischen der unvollendeten Ruine des Palazzo dei Tribunali und dem Bankenviertel erfolgten weitere Bautätigkeiten und so unterstützte er die Gemeinde der Florentiner Kaufleute. In dieser Zone erwarben bedeutende Künstler, wie Raffael und Antonio da Sangallo der Jüngere Grundstücke bzw. bauten imposante Paläste. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts war es auch Mode geworden, dass die verschiedenen Nationen und Stadtstaaten ihre eigenen Kirchen in Rom errichten ließen. Die Stadtviertel Regola und Ponte an den Prozessions- und Pilgerstraßen waren dafür bevorzugte Adressen. Die Spanier, Engländer und Schweden, wie Florentiner und, Neapolitaner ließen im Umfeld der Via Giulia ihre repräsentativen Kirchen bauen. Ab der Kirche San Biagio in südlicher Richtung änderte sich die Gegend radikal. Der zentrale Teil der Via Giulia um den Monte dei Planca Incoronati befand sich in einem Zustand des Verfalles mit armseligen Bauten, Gasthäusern, Bordellen und verrufenen Plätzen. Die Gegend zwischen Via del Gonfalone, Via delle Carceri, Via di Monserrato und dem Tiber war seit dem Mittelalter eines der berüchtigtsten Viertel Roms.[10] Ein Manuskript aus dem Jahr 1556 berichtet über das Viertel um das später abgerissene Kirchlein San Niccolò degli Incoronati: … 150 Häuser sehr einfacher Leute, Huren und zweifelhafter Personen …[11]. Das Viertel ab der Kirche Santa Aurea, heute Santo Spirito dei Napoletani, wurde im Mittelalter Castrum Senense genannt, weil es überwiegend von Schmieden aus Siena bewohnt war. An diesem Ende der Via Giulia zeichnete sich ein genau definierter architektonischer Bebauungs-Plan ab, dessen Ausgangspunkt der Bau der Residenz der Farnese war. Den perspektivischen Abschluss am Südende der Via Giulia bildete ab der Mitte des 16. Jahrhunderts das 1586 im Auftrag Papst Sixtus V. durch den Architekten Domenico Fontana errichtete Ospedale dei Mendicanti (Bettlerhospiz). Um das Viertel mit genügend Trinkwasser zu versorgen ließ Papst Paul V. die Aqua Paola über den Tiber verlängern und in der Achse zur Via Giulia 1613 einen Brunnen, die Fontana di Ponte Sisto, an der Fassade errichten. Dieser Brunnen wurde um 1880 abgerissen und 1898 auf der gegenüberliegenden Seite des Ponte Sisto auf der heutigen Piazza Trilussa wieder errichtet (Abb.).

Via Giulia; Ausschnitt aus Almae urbis Romae prospectus 1645 Antonio Tempesta 
Via Giulia; Ausschnitt aus Almae urbis Romae prospectus 1645 Antonio Tempesta

Zum Ende des 16. Jahrhunderts stand der Verlauf der Via Giulia im Grunde fest. Die beiden Enden waren durch das Viertel der Florentiner im Norden und das Ospedale dei Mendicanti im Süden bestimmt. Weniger eine geschäftliche Verbindungsader, bildete die Straße eine stark frequentierte Promenadenstraße und war Ort für Feste, Prozessionen und Wettrennen. Im Sommer wurden Teile geflutet und Bootsrennen veranstaltet. 1603 fand ein Turnier bei den Ceuli am Palazzo Sacchetti statt. 1617 veranstaltete Kardinal Odoardo Farnese ein sarazenisches Turnier am Oratorio della Compagnia della Morte, zu welchem er unter anderen acht Kardinäle einlud. Während der Sommermonate wurde die Straße bisweilen zum Vergnügen von Volk und Adel geflutet. Eines der glanzvollsten Feste veranstalteten die Farnese 1638 anlässlich der Geburt des französischen Dauphin, des zukünftigen Königs Ludwig XIV. Im Jahre 1663 ist die Veranstaltung eines Pferderennens mit nackten Buckligen während des Karnevals überliefert.[12]

In der Zeit des Barock tragen weitere bedeutende Bauvorhaben zum späteren Bild der Straße bei: Die Fertigstellung der Kirche San Giovanni dei Fiorentini, der Bau der Carceri Nuove (Neues Gefängnis), der Neubau des Palazzo Falconieri sowie der Bau der Kirchen Sant’Anna dei Bresciani und Santa Maria del Suffragio. Trotz dieser Bauten ändert sich der Charakter der Straße wenig. In der allgemeinen Stadtentwicklung Roms bleibt sie eher außen vor.

Die Entwicklung im 18. und 19. Jahrhundert

Auch im 18. Jahrhundert bleibt die Via Giulia vorwiegend Ort für die Veranstaltung von Festen. 1720 veranstalteten die Sienesen zur Feier der Erhebung ihres Landsmannes Marc’Antonio Zondadari zum Großmeister des Malteser Ordens ein prächtiges Fest. Die Paläste der Adelsfamilien waren für den Anlass reich geschmückt und festlich beleuchtet. Zwei Triumphbögen erhoben sich über dem Festzug. Die Fontana del Mascherone spendete dem Volk Wein anstelle von Wasser.

Im 19. Jahrhundert wurden nur wenige neue Bau- oder Restaurierungsvorhaben verwirklicht. Darunter war das Jugendgefängnis (Palazzo del Gonfalone) (1825–1827), die Renovierung des Hospiz der Armenier neben der Kirche San Biagio (1830), die neue Fassade der Santo Spirito dei Napoletani (1853) und vor allem das Collegio Spagnuolo (1853). Der allgemeine Niedergang der Bausubstanz der Gebäude in der Straße konnte dadurch aber nicht aufgehalten werden.

Die Via Giulia seit 1870

Nach der Erhebung Roms 1870 zur Hauptstadt des Königreiches Italien nahm man ab 1873 die Regulierung der Tiberufer mit dem Bau von Ufermauern in Angriff. Dieses Projekt war verbunden mit Abriss und Zerstörung vieler Bauten in der Straße.[13] Dadurch wurde die Via Giulia fast gänzlich vom Tiber abgeschnitten. Die dem Fluss zugewandten Fassaden mit Loggien und Gärten, wie in den Palazzi Medici-Clarelli, Sacchetti, Varese, Falconieri, hatten ihren Zweck verloren. Wesentliche Eingriffe in die Baustruktur während der Zeit des Faschismus haben eine große Baulücke zwischen der Via della Barchetta und dem Vicolo delle Prigioni hinterlassen, die bis heute nur zum Teil durch den Neubau des Liceo Classico Virgilio gefüllt wurde.

im Wesentlichen die heutigen Rioni Regola, Ponte, Parione, Sant’Eustachio und Pigna heute Via dei Banchi Nuovi und Via del Governo Vecchio zum Kapitol heute Via del Pellegrino, Via dei Giubbonari bis Portico di Ottavia heute Via dei Coronari Dante Alighieri: Inferno, canto XVIII, vv. 28–3––––3 Stefano Infessura: Diario Rerum Romanorum; Roma 1890 S. 79 f.: Februar 1475 – König Ferrante ging durch ganz Rom … sagte zu Papst Sixtus IV. er sei gar nicht Herr dieses Landes dieser vorspringenden Portiken und der engen Straßen und der hölzernen Balkone wegen, die es hier gäbe, wenn er einmal Soldaten nach Rom werfen müsse …. Er gab ihm den Rat, er solle doch die Balkone und Portiken einreißen und die Straßen erweitern lassen. Und der Papst griff seinen Rat auf, und später, sobald es ihm möglich war, wurden die Balkone und Portiken niedergerissen und so die Straßen erweitert, unter dem Vorwand, man wolle die Straßen pflastern und die Stadt verschönern Inschrift am Eingang zur Via del Pellegrino: ALEX VI PONT MAX POST INSTAURATAM ADRIANI MOLEM ANGUSTAS VRBIS VIAS AMMPLIARI IVSSIT MCCCCLXXXXVII (Papst Alexander VI. hat nach der Wiederherstellung des Riesenbaus des Hadrian (= der Engelsburg) die engen Straßen der Stadt verbreitern lassen 1497). Übersetzung orthographisch angepasst nach Klaus Bartels: Roms sprechende Steine. Inschriften aus zwei Jahrtausenden gesammelt, übersetzt und erläutert. 4. Auflage, Philipp von Zabern, Darmstadt/Mainz 2012, ISBN 978-3-8053-4478-4, S. 69. Julius II. p.o.m. der die Macht der Heiligen Römischen Kirche ausgeweitet und Italien befreit hat. Die Stadt Rom, die eher einer eroberten als einer ordentlich geplanten glich hat er zum Ruhm des Reiches verschönert Giorgio Vasari: Das Leben des Bramante und des Peruzzi, S. 21 Vincenzo Morelli: Omaggio a Via Giulia, S. 5 M. Armellini; Le chiese di Roma 1891: S. Niccolò degli Incoronati Vincenzo Morelli: Omaggio a Via Giulia, S. 7 f. Vincenzo Morelli: Omaggio a Via Giulia, S. 12
Fotografien von:
Peter1936F - CC BY-SA 4.0
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