Şanlıurfa

Şanlıurfa [ʃanˈlɯuɾfa], auch schlicht Urfa genannt (arabisch الرها ar-Ruhā, armenisch Ուռհա Urha, kurdisch رها Riha, aramäisch ܐܘܪܗܝ Urhoy) und unter ihrem antWeiterlesen

Şanlıurfa [ʃanˈlɯuɾfa], auch schlicht Urfa genannt (arabisch الرها ar-Ruhā, armenisch Ուռհա Urha, kurdisch رها Riha, aramäisch ܐܘܪܗܝ Urhoy) und unter ihrem antiken Namen Edessa (altgriechisch Ἔδεσσα) bekannt, ist die Provinzhauptstadt der türkischen Provinz Şanlıurfa mit über 2 Mio. Einwohnern. Seit der letzten Gebietsreform ist die Stadt eine Büyükşehir Belediyesi (Großstadtkommune) und damit flächen- und einwohnermäßig identisch mit der Provinz. Die Stadt wird als Peygamberler şehri Şanlıurfa („ruhmreiche Prophetenstadt Urfa“) bezeichnet.

Vorgeschichte

In der Nähe der Stadt liegt der Göbekli Tepe mit mutmaßlich sakralen neolithischen Felsanlagen aus der Zeit ab ca. 10.000 v. Chr. (PPNA und PPNB). Ihre Entdeckung in den 1990er Jahren stellte eine archäologische Sensation dar; derzeit gräbt hier das Deutsche Archäologische Institut. Aus der Stadt Urfa selbst stammen Funde ähnlichen Alters. Ab wann eine kontinuierliche Besiedlung bestand, ist unklar.

 Im Basar von Urfa

Der älteste Teil der Stadt befindet sich im Stadtteil Yeni Mahalle nördlich des berühmten Balıklıgöl. Bei Straßenbauarbeiten 1997 wurden hier mehrere Besiedlungsschichten freigelegt. Bei Rettungsgrabungen durch die Universitäten von Şanlıurfa und Harran wurde die älteste Schicht als präkeramisch neolithisch identifiziert.[1]

Antike

Es wird vermutet, dass Urfa identisch ist mit dem hurritischen Urschu, das um 2000 v. Chr. in sumerischen, akkadischen und später in hethitischen Keilschrifttexten erwähnt wird. Ephräm der Syrer bewahrt die Legende, König Nimrod habe die Stadt gegründet. Nach islamischer Überlieferung war die Stadt überdies der Geburtsort Abrahams, der nach biblischer Tradition im benachbarten Harran zur Welt kam. 1370 v. Chr. wurde Urschu von den Hethitern unter Šuppiluliuma I. erobert. Nach dem Ende des Hethiterreiches gehörte Urschu zu Karkemisch.

Die Stadt wurde von Alexander erobert. Aus machtpolitischen Gründen nahm Seleukos I. eine Neugründung unter dem makedonischen Namen Édessa vor. Als Gründungsdatum wird gewöhnlich 303 v. Chr. angegeben. Die Stadt hatte ein rechtwinkliges Straßennetz mit viereckigen Mauern und Toren, die nach den Himmelsrichtungen orientiert waren. Der Burgberg lag nur teilweise innerhalb der Stadtmauern.

Nach dem Zerfall des Seleukidenreichs entstand um Edessa das unabhängige Kleinkönigreich Osrhoene, das später aufgrund der angeblichen Taufe des Königs Abgar V. durch Thaddäus als erstes christliches Reich der Welt galt. Die (teils unhistorische) Liste der Könige findet sich in der Chronik des syrischen Erzbischofs Dionysius von Tell Mahre. Die große Mehrheit der heutigen Forscher hält die Berichte über die sehr frühe Christianisierung Edessas aber für eine Legende, die in der Spätantike entstand. Edessa wurde damals bekannt, weil Abgar laut Eusebius von Caesarea mit Jesus Christus korrespondiert haben soll. Das Abgar-Bild, ein Abbild Christi, soll ihn geheilt haben. Diese (unhistorische) Legende entstand im 4. Jahrhundert und erlangte eine sehr weite Verbreitung. Erstmals im 6. Jahrhundert ist dann die Variante belegt, Jesus habe Abgar nicht nur ein heiliges Abbild von sich selbst geschickt, sondern auch einen Brief, in dem er dem König garantiert habe, Edessa werde niemals von Feinden erobert werden. Am Hof Abgars lebte Bardesanes von Edessa, der erste Philosoph, der in syrischer Sprache schrieb und auch Buddha erwähnt. Seine Münzen zeigen ihn mit der Tiara; auf der Rückseite das Bild des römischen Kaisers. Es ist zu vermuten, dass das Christentum unter ihm eine Rolle zu spielen begann; 201 wurde bei einem Hochwasser die erste christliche Kirche zerstört; schon bald darauf begann die Blütezeit der Schule von Edessa, und gegen Ende des 4. Jahrhunderts beschrieb die Pilgerin Egeria die Kirchen der Stadt, in der das Abgar-Bild aufbewahrt wurde.

Unter römischer Dominanz behielt die Stadt zunächst ihre Unabhängigkeit. Pompeius bestätigte Abgar II. von Edessa nach 67 v. Chr. in seinem Amt. Dieser scheint dann, nach Plutarch, eine wichtige Rolle bei der Niederlage des Crassus 53 v. Chr. gespielt zu haben.[2] Danach wurde Edessa mitsamt der Osrhoene ein abhängiges parthisches Klientelkönigreich unter eigenen Fürsten. 49 n. Chr. wird Abgar V. bei Tacitus (Annalen XI,12) als „König der Araber“ erwähnt.

Als Kaiser Trajan 114 in Antiochia weilte, brachte ihm der König von Edessa, ebenfalls mit Namen Abgar, Geschenke, darunter über 200 Pferde. Aber schon 116 fiel Abgar von den Römern ab, und die Stadt wurde zerstört. Trajans Nachfolger Hadrian musste das Gebiet wieder räumen und setzte 117 einen parthischen Prinzen als Herrscher über Edessa ein. Wenig später gehörte die Osrhoene wieder fest zum parthischen Machtbereich. Im Jahr 123 kam dann eine einheimische Dynastie unter Manu VII. an die Herrschaft. Bis 160 gab es keine Münzen, durch die sich ein „Königreich Edessa“ nachweisen ließe. Die ältesten Münzen sind von König Wael bar Sahru (163–165) erhalten, der von den Parthern eingesetzt wurde. Von König Manu VIII. (139–163, 165–176/9) ist eine Münze erhalten, die ihn mit der Tiara zeigt. Im Jahr 165, während eines erneuten römisch-parthischen Krieges, rebellierte die Stadt gegen die Parther und öffnete römischen Truppen die Tore, der Herrscher wurde römischer Klientelkönig; doch noch verzichteten die Kaiser auf eine Annexion.

Edessa hatte lange mit dem Kult des Mondgottes Sin im nahen Harran konkurriert. Bedeutend war die Verehrung der Göttin Taratha. Noch in einem Gesetzbuch aus der Schule von Bar Daisan aus dem 3. Jahrhundert wird berichtet, dass sich in Edessa Männer zu Ehren von Taratha kastrierten. Unter dem toleranten König Abgar VIII. (176/9–212), von dem eine große Zahl von Münzen erhalten sind, wurden andererseits angeblich die ersten christlichen Kirchen gebaut. Die angeblichen Gebeine des heiligen Thomas (Mar Tuma) wurden laut späterer Tradition um 233 n. Chr. in die Stadt gebracht und in der Hauptkirche bestattet.

194 rebellierte Edessa gegen die Römer und wurde anschließend von Kaiser Septimius Severus unterworfen. Abgar IX. (212–214) folgte noch kurzfristig seinem Vorgänger auf den Thron. Der neue Kaiser Caracalla ließ ihn jedoch absetzen und töten, beendete die Herrschaft der edessenischen Könige und machte die Stadt 214 zur römischen colonia und zur Hauptstadt der römischen Provinz Osrhoene. Es scheint jedoch auch weiter Lokalfürsten gegeben zu haben; so siedelte ein edessenischer Phylarch namens Abgar 243 mit seiner Familie nach Rom über. Abgar X. prägte unter Kaiser Gordian die letzten Münzen mit der griechischen Umschrift Abgaros Basileus („König Abgar“).

Im Jahre 260 wurden die Römer unter Valerian durch die persischen Sassaniden unter Schapur I. in der Nähe von Edessa besiegt, der Kaiser geriet in Gefangenschaft.

Spätantike

Das spätantike Edessa war weiterhin römischer Statthaltersitz, besaß eine Münzprägestätte, hatte eine weltoffene Oberschicht und war ein Zentrum für den Karawanenfernhandel mit Luxusgütern. So gab es seit alter Zeit Handelsbeziehungen zwischen Edessa und Indien. Hier kam es daher in besonderem Maße zu Kulturkontakten zwischen Orient und Okzident, und die stark befestigte Stadt blühte auch wirtschaftlich.

Während der Spätantike war Edessa ein wichtiges religiöses und intellektuelles Zentrum für den syrisch-römischen Osten, auch wenn die „Perserschule von Edessa“ 489 auf Druck des römischen Kaisers Zenon geschlossen wurde (die Dozenten wanderten ins im persischen Sassanidenreich liegende Nisibis aus). Vor allem im 6. Jahrhundert war die Stadt dann zwischen Oströmern und Persern schwer umkämpft; in dieser Zeit wurde auch die Abgar-Legende, die bereits 200 Jahre zuvor Eusebius von Caesarea erwähnt hatte, ausgestaltet und das die Stadt schützende angebliche Bild Christi erstmals erwähnt (s. o.). 544 scheiterte eine großangelegte Belagerung durch den persischen Sassanidenkönig Chosrau I. Schon 525 waren weite Teile der Stadt zerstört worden, als der Fluss Daisan über die Ufer trat. Die Kaiser Justin I. und Justinian I. ließen daraufhin umfangreiche Baumaßnahmen durchführen, weshalb die stark befestigte, nunmehr Iustinopolis genannte Stadt den Persern oft widerstehen konnte, bevor sie unter Chosrau II. um 608 schließlich doch erobert wurde.

Mittelalter  Zitadelle

630 gaben die Perser Edessa an die Oströmer zurück. Doch schon im Jahr 638 fiel die Stadt – ungeachtet der Versprechen der Abgar-Legende – in die Hände der arabischen Muslime; damit endete die antike Geschichte des Ortes. Doch blieben bischöflich geleitete christliche Gemeinden erhalten. Erst 1052 fiel Edessa wieder an Byzanz. Doch nach 1071 ergriff der armenische Abenteurer Michael Apokapes die Herrschaft. Ihm folgte – nach einem kurzen Zwischenspiel des Leon Diabatenos – 1078 sein Sohn Basileios, der die Stadt im Auftrag des ehemaligen byzantinischen Kuropalates Philaretos Brachamios einnahm. Thoros, ein Offizier des Philaretos Brachamios, trat um 1090 seine Nachfolge an. Dieser konnte Angriffen der Seldschuken standhalten, rief aber 1097 Kreuzfahrer des Ersten Kreuzzugs zu Hilfe und adoptierte schließlich deren Grafen Balduin von Boulogne. Als Thoros 1098 ermordet wurde, übernahmen die Kreuzfahrer die Herrschaft und machten die Stadt zur Hauptstadt der Grafschaft Edessa. Hierüber berichtet ausführlich der zu dieser Zeit in Edessa lebende armenische Mönch Matthias von Edessa.

Im Jahr 1144 wurde Edessa von dem seldschukischen Atabeg Zengi aus Aleppo erobert, die Zivilbevölkerung wurde größtenteils getötet.[3] Dies markierte das Ende der großen Zeit Edessas. Die Zerschlagung des Kreuzfahrerstaates Edessa sollte der Anlass für den letztlich erfolglosen Zweiten Kreuzzug sein.

In den folgenden Jahrhunderten wurde die Stadt von den Mongolen und schließlich von den Mamelucken erobert.

Neuzeit

1637 wurde Edessa vom Osmanischen Reich erobert und in Urfa umbenannt. Zu dieser Zeit war die Stadt ein Handelszentrum für Baumwolle, Leder und Juwelen. 1830 geriet die Stadt kurzzeitig unter die Kontrolle des ägyptischen Gouverneurs Muhammad Ali Pascha.

1895 kam es zu Pogromen gegen Armenier und syrische Christen durch spezielle Einheiten des Sultans Abdülhamid II. (die sogenannten Hamidiye) im Süden und Osten Anatoliens. Dabei wurden in Urfa nach Bericht des dort stationierten britischen Konsuls Fitzmaurice über 3000 Menschen, die in der armenischen Kathedrale Zuflucht gesucht hatten, lebendig verbrannt.[4] Die religiöse Note der Pogrome bekam in Urfa eine besondere Prägnanz, indem ein Scheich in Berufung auf seine Religion an die 100 männliche Kleinkinder tötete.[5] Insgesamt wurden in Urfa je nach Schätzung zwischen 5000 und über 8000 Menschen ermordet.[6]

Johannes Lepsius baute in der Stadt mehrere karitative Einrichtungen für die Überlebenden der Pogrome auf. Sie wurden ab 1903 von der dänischen Missionarin Karen Jeppe geleitet, die sich während des Ersten Weltkrieges einen Namen als Retterin zahlreicher armenischer Flüchtlingskinder vor dem Genozid machte, als 1915/16 mehrere hunderttausend Armenier durch Urfa auf Todesmärschen in die mesopotamische Wüste getrieben wurden. 1917 verließ Jeppe krankheitsbedingt die Türkei und setzte ihre Arbeit 1921 als offizielle Beauftragte des Völkerbundes im benachbarten Syrien fort. Bereits 1915 wurde das armenische Viertel der Stadt durch osmanische Artillerie zerstört, wobei Offiziere aus dem mit der Türkei verbündeten Deutschen Reich die Kanoniere anleiteten.[7] Es kam zum Widerstand von Urfa.

Die Besetzung Urfas durch die Briten im März 1919 brachte ein halbes Jahr friedlichen, raschen Wiederaufbau. Deren Ablösung durch französische Truppen war dagegen bereits von Unwillensäußerungen der Muslime begleitet. Die Franzosen wurden in der Folgezeit von den türkisch-nationalistischen Streitkräften aus dem Gebiet vertrieben.

Seit Anfang des 21. Jahrhunderts hat Urfa stark vom wirtschaftlichen Aufschwung profitieren können, den insbesondere das Südostanatolien-Projekt (GAP) in der Südosttürkei hervorgerufen hat.

Im Verlauf des Syrischen Bürgerkrieges ab 2011 entwickelte sich Şanlıurfa zur Durchgangsstation für Dschihadisten aus der ganzen Welt, die durch Schleuser über die Grenze nach Syrien geleitet werden. Gleichzeitig wurde der Ort zum Ziel von rund 350.000 Kriegsflüchtlingen aus Syrien.[8]

Bahattin Çelik: An Early Neolithic Settlement in the Center of Şanlıurfa, Turkey in NEO-LITHICS 2+3/00 – The Newsletter of Southwest Asian Neolithic Research Diese Darstellung wird allerdings von Segal bezweifelt. Thomas S. Asbridge: Die Kreuzzüge. 7. Auflage. Klett-Cotta, Stuttgart 2016, ISBN 978-3-608-94921-6, S. 215. Deborah Mayersen: On the Path to Genocide: Armenia and Rwanda Reexamined. Berghahn, New York/Oxford 2014, ISBN 978-1-78238-284-3, S. 45 (Google Books). Hans-Lukas Kieser: Der verpasste Friede: Mission, Ethnie und Staat in den Ostprovinzen der Türkei 1839–1938. Chronos Verlag, Zürich 2000, ISBN 978-3-905313-49-9, S. 233. Hans-Lukas Kieser: Der verpasste Friede: Mission, Ethnie und Staat in den Ostprovinzen der Türkei 1839–1938. Chronos Verlag, Zürich 2000, ISBN 978-3-905313-49-9, S. 234. David Gaunt: Massacres, Resistance, Protectors: Muslim-Christian Relations in Eastern Anatolia During World War I. Gorgias Press, Piscataway (New Jersey) 2006. ISBN 1-59333-301-3, S. 267 Alfred Hackensberger: Schleusersystem: So gelangen Dschihadisten ins Land des Terrors. In: Die Welt. 14. Januar 2014, abgerufen am 10. März 2018.
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