Rasa (Svizzera)

Rasa ist ein kleines Bergdorf im Centovalli, das zur 2009 gebildeten Tessiner Gemeinde Centovalli gehört.

Rasa wurde 1700 gegründet, als die Bewohner vom tiefergelegenen heutigen Terra Vecchia nach Rasa umzogen (und gleich den Namen Rasa mitnahmen). 1753 wurde in Rasa die Kirche St. Anna gebaut. Seit 1957 ist Rasa über eine Seilbahn von Verdasio aus zu erreichen.

Im Jahre 1864 spaltete sich Rasa von der Gemeinde Palagnedra ab und wurde eine selbständige politische Gemeinde. Die Unabhängigkeit endete am 1. Januar 1972 mit der Eingliederung in die Gemeinde Intragna, die ihrerseits im Oktober 2009 ein Teil der Gemeinde Centovalli wurde.

 
Rasa-Fahne an der Kirche (Juli 2009)
Die Anfänge in Terra Vecchia
 
Madonna della Neve in Terravecchia

Rasa lag zuerst an dem heute Terra Vecchia genannten Ort, am Fussweg von Rasa nach Bordei und Palagnedra. Kirchlich und zivilrechtlich gehörte der Ort zu Palagnedra. Am 25. Juni 1615 wurde in Terra Vecchia die der Madonna della Neve geweihte einschiffige Kirche (12 × 6 m) mit Holzdecke eingeweiht. 1636 gab die kirchliche Obrigkeit die Erlaubnis, Tote im Kirchlein beizusetzen, die bis anhin in Palagnedra beerdigt werden mussten. 1643 wurden das damalige Rasa und seine Fraktionen zu einer selbständigen Pfarrei erhoben. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zählte diese etwa 200 Seelen, hundert Jahre später nur 110. Immer mehr Leute verliessen die heutige Terra Vecchia – ein Teil von ihnen siedelte sich im heutigen Dorf Rasa an, das zuvor als Fraktion den Namen Digessio trug.

Rasa
 
Ortsansicht
 
Ortsansicht
 
Rasa, historisches Luftbild von Werner Friedli (1953)

Die Gemeinde Rasa war eine der kleinsten des Tessin und eines der von der Entvölkerung am stärksten betroffenen Dörfchen. Heute erreicht man Rasa mittels der Seilbahn ab Verdasio, zu Fuss von Palagnedra, Ronco, von Intragna über die Römerbrücke oder von Corcapolo über die Brücke von Salmina.

Die als Baumaterial für das Dorf verwendeten Steine fanden die Bewohner im Überfluss im Boden, auf den Feldern und in den Wäldern. Kalk wurde von Bordei oder vom Monte di Remo eine Stunde Weges auf dem Rücken hinaufgetragen. Die Felsplatten für die Dächer (piode) mussten aus Termine hergetragen werden, 40–50 kg pro Ladung. Auch die steinernen Stufen wurden weit weg vom Dorf gehauen und zu zweit auf den Schultern hergetragen.

Anfang des 18. Jahrhunderts, vielleicht schon früher, hatte Rasa eine eigene Schule. Nach dem Bau der Kirche wurde sie über der Sakristei eingerichtet, bis zur endgültigen Schliessung im Jahr 1950 im Pfarrhaus neben der Kirche. 1930 wurden noch 16 Schüler unterrichtet. Heute gehen die Kinder nach Intragna in die Elementarschule und nach Losone oder Locarno in die Mittelschule.

Die Kirche und das Dorf erwecken den Eindruck eines gewissen Wohlstandes. Um 1630 begannen die Rasaner nach Livorno auszuwandern, wo sie ein Monopol als Lastenträger im Hafen besassen. Andere gingen nach Mailand und Rom, und gegen Ende des 19. Jahrhunderts nach Amerika. Die im Dorf verbliebenen Leute, hauptsächlich Frauen und Kinder, widmeten sich der Landwirtschaft. Sie stellten Butter und Käse her und veranstalteten die mazza (Metzgete), räucherten Kastanien und hielten eine Herde von mehreren Hundert Schafen, Kühen und Ziegen (1930 waren es 200 Tiere). Ferner besass jede Familie mindestens ein Schwein. So war für Fleisch und Wurst gesorgt für das ganze Jahr. Fische fanden sich in den nahen Wasserläufen, besonders im Ri di Progia.

Im Weiteren wurden Nüsse gesammelt und zur Gewinnung von Speise- und Lampenöl nach Palagnedra gebracht. Fast alle landwirtschaftlichen Geräte wurden von den Rasanern selbst hergestellt, ebenso die Stoffschuhe (pedüü). Auch die Wolle wurde im Dorf gesponnen, gefärbt und verarbeitet.

Für Nahrungsmittel, die nicht im Ort selbst gewonnen werden konnten, musste man die Läden von Palagnedra, Intragna oder Locarno aufsuchen; selbstverständlich hin und zurück zu Fuss, Sommer und Winter, mit Lasten von 50 kg und mehr. Ein alter Mann erzählte dem Chronisten Carlo Prada, dass man im Winter manchmal bis Losone musste, um Stroh zu kaufen, wenn das Heu knapp wurde – auch das zu Fuss oder auf Skiern. Ein Kalb war sehr wertvoll. Der Verkauf eines Kalbes ermöglichte, sich während eines halben Jahres mit dem Nötigen einzudecken. Ging andererseits ein Tier zu Grunde, hatte dies für die betreffenden Familien schlimme Folgen.

Im Krankheitsfall wurde der Arzt aus Intragna gerufen. Im Allgemeinen wurden jedoch die Kranken nach Corcapolo getragen, wozu der Tragstuhl der Kirche zur Verfügung stand. Die Kinder wurden fast alle zu Hause geboren. Der Wöchnerin, die meistens bis zum letzten Augenblick ihrer Arbeit nachging, stand eine als Hebamme amtierende Frau aus dem Dorfe bei.

Da die italienische Bevölkerung Druck auf die Tessiner Lastenträger ausübte, hob der toskanische Grossherzog Leopold II. im August 1847 das Alleinrecht des Lastentragens für immer auf. Das gleiche Schicksal erlitten diejenigen, die am Hof von Florenz Arbeit gefunden hatten, auch sie wurden ihres Postens enthoben. Damit versiegten die guten Einnahmequellen, und die Abwanderung der Jungen begann. Innert fünfzig Jahren verminderte sich die Bevölkerung um die Hälfte. Im Jahr 1971 bestand Rasa nur noch aus zwölf Ansässigen. Damals wurde es als Gemeinde aufgehoben und gehörte fortan zu Intragna.[1][2]

Einwohnerentwicklung

Während Rasa um 1500 rund 200 und um 1900 rund 300 Einwohner zählte, waren es 1970 nur noch 11. Seit 1962 wurden mehrere verlassene Häuser zum Campo Rasa, einem christlichen Bildungs- und Ferienzentrum der Vereinigten Bibelgruppen saniert, umgebaut und neu genutzt, was zur Belebung der Ortschaft, des Dorflebens und der Berglandwirtschaft beitrug.[3]

Simona Martinoli und andere: Guida d’arte della Svizzera italiana. Hrsg. von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Edizioni Casagrande, Bellinzona 2007, ISBN 978-88-7713-482-0, S. 217. Elfi Rüsch: Distretto di Locarno IV. Hrsg. von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Bern 2013, ISBN 978-3-03797-084-3, S. 224–233. Helge von Giese: Ein Seelengarten im Centovalli. In: Neue Zürcher Zeitung, 3. August 2012.
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