Санкт-Петербург

( Sankt Petersburg )

Sankt Petersburg (russisch Санкт-Петербург Sankt-Peterburg; kurz auch St. Petersburg) ist mit 5,38 Millionen Einwohnern (Stand 2021) nach Moskau die zweitgrößte Stadt Russlands, die viertgrößte Europas und die nördlichste Millionenstadt der Erde. Sie war von 1712 bis 1918 Hauptstadt des Russischen Kaiserreiches und bis 2021 Verwaltungszentrum der sie umgebenden Oblast Leningrad. Als Stadt mit Subjektstatus ist Sankt Petersburg ein Föderationssubjekt der Russischen Föderation.

Sankt Petersburg liegt im Nordwesten des Landes an der Mündung der Newa in die Newabucht am Ostende des Finnischen Meerbusens der Ostsee. Die Stadt wurde 1703 von Zar Peter dem Großen auf Sumpfgelände nahe dem Meer gegründet, um den Anspruch Russlands auf Zugang zur Ostsee durchzusetzen. 1712 wurde sie die Hauptstadt Russlands. 1918 verlegten die Bolschewiki ihre Regierung nach Moskau. Über 200 Jahre lang trug sie den heutWeiterlesen

Sankt Petersburg (russisch Санкт-Петербург Sankt-Peterburg; kurz auch St. Petersburg) ist mit 5,38 Millionen Einwohnern (Stand 2021) nach Moskau die zweitgrößte Stadt Russlands, die viertgrößte Europas und die nördlichste Millionenstadt der Erde. Sie war von 1712 bis 1918 Hauptstadt des Russischen Kaiserreiches und bis 2021 Verwaltungszentrum der sie umgebenden Oblast Leningrad. Als Stadt mit Subjektstatus ist Sankt Petersburg ein Föderationssubjekt der Russischen Föderation.

Sankt Petersburg liegt im Nordwesten des Landes an der Mündung der Newa in die Newabucht am Ostende des Finnischen Meerbusens der Ostsee. Die Stadt wurde 1703 von Zar Peter dem Großen auf Sumpfgelände nahe dem Meer gegründet, um den Anspruch Russlands auf Zugang zur Ostsee durchzusetzen. 1712 wurde sie die Hauptstadt Russlands. 1918 verlegten die Bolschewiki ihre Regierung nach Moskau. Über 200 Jahre lang trug sie den heutigen Namen, von 1914 bis 1924 hieß sie Petrograd (Петроград) sowie von 1924 bis 1991 Leningrad (Ленинград), womit Lenin, der Gründer der Sowjetunion, geehrt wurde. Der örtliche Spitzname ist Piter nach der ursprünglich dem Niederländischen nachempfundenen Namensform Санкт-Питербурх Sankt-Piterburch (die vier Namen ).

Die Stadt ist ein europaweit wichtiges Kulturzentrum und beherbergt den wichtigsten russischen Ostseehafen. Die historische Innenstadt mit 2300 Palästen, Prunkbauten und Schlössern ist seit 1991 als Weltkulturerbe der UNESCO unter dem Sammelbegriff Historic Centre of Saint Petersburg and Related Groups of Monuments eingetragen.

Mit dem 462 Meter hohen Lachta-Zentrum befindet sich das höchste Gebäude Europas in der Stadt.

 Historische Karte (um 1888)Vorgeschichte, Gründung und Aufbau der Stadt

Die Stadtgründung von Sankt Petersburg ist Gegenstand eines um Peter den Großen gewobenen politischen Mythos. Danach soll der Zar bereits bei deren erstem Anblick eine unbewohnte und öde Sumpflandschaft an der Newa-Mündung zum Standort seiner zukünftigen Hauptstadt, eines „Fensters nach Europa“ für Russland, ausgewählt haben. Die wortmächtigste und am häufigsten zitierte Ausformulierung dieses Mythos von der eine „Hauptstadt aus dem Nichts“ erschaffenden Willenskraft Peters des Großen findet sich in dem Gedicht Der eherne Reiter (1834) von Alexander Puschkin.

Tatsächlich war der Bereich der unteren Newa schon lange zuvor Teil einer Kulturlandschaft, des Ingermanlandes. Dort lebten seit dem 10. Jahrhundert Vertreter verschiedener finno-ugrischer Völker größtenteils von der Landwirtschaft. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts stritten Schweden und Nowgorod um das Gebiet. Eine als Landskrona überlieferte schwedische Siedlung an diesem Ort wurde angeblich im Jahr 1301 zerstört. Danach einigte man sich darauf, die Region als Pufferzone zwischen den Einflusssphären zu betrachten, in der keine Festungen errichtet werden durften.

In den folgenden Jahrhunderten wurde das Gebiet zumindest als Landungsstelle für die Newa befahrende Schiffe genutzt, möglicherweise aber als Handelsplatz. Letzteres gilt sicher für die Zeit einer erneuten schwedischen Dominanz in der Region nach der Errichtung der Festung Nyenschanz im Jahr 1611 und der sie bald umgebenden Siedlung Nyen. Beide lagen auf dem Stadtgebiet des heutigen Sankt Petersburg am nördlichen (oder rechten) Ufer der Newa. Es gibt Hinweise auf größere städtebauliche Ambitionen der Schweden für Nyen im 17. Jahrhundert. Allerdings erlebten diese Vorhaben einen herben Rückschlag, als Siedlung und Festung 1656 während des Zweiten Nordischen Krieges von russischen Truppen zerstört wurden.

Dem Wiederaufbau folgte am 1. Mai 1703, während des Großen Nordischen Krieges, die endgültige Eroberung von Nyenschanz durch die newaabwärts vorrückenden Russen unter Scheremetew. Nyen war zu diesem Zeitpunkt bereits von den Schweden selbst präventiv geräumt und teilweise zerstört worden. Das Ende von Nyen und Nyenschanz markierte gleichzeitig den Beginn der Stadtgeschichte von Sankt Petersburg. Offiziell verbindet man ihn mit dem Datum 16. Maijul. / 27. Mai 1703greg.. An diesem Tag wurde auf einer Nyenschanz gegenüber gelegenen Insel im Newa-Delta der Grundstein für die nach dem Namenspatron des Zaren benannte Peter-und-Paul-Festung gelegt. In Urkunden und Karten aus der Gründungszeit finden sich neben der deutschen Bezeichnung Sankt Petersburg die niederländisch klingenden Sankt Piter Bourgh oder St. Petersburch.

Es gibt keine Quellen, die glaubhaft belegen würden, dass Peter der Große das Bollwerk von Beginn an als Keimzelle einer größeren Siedlung oder gar seiner zukünftigen Hauptstadt angesehen hätte. In erster Linie sollte die Peter-und-Paul-Festung zunächst wohl die Funktion von Nyenschanz übernehmen, also die Newa-Mündung strategisch absichern, nur jetzt für die Russen. Die äußeren Bedingungen für eine Stadtgründung waren denkbar ungeeignet, soweit stimmt die Überlieferung. Das Delta wurde häufig von Überschwemmungen heimgesucht, ein Großteil der Gegend war nicht einmal für die Landwirtschaft geeignet. Nur einige Fischer hielten sich hier in den Sommermonaten auf. Später sollte es aufgrund der ungünstigen Lage immer wieder zu Überschwemmungen kommen, bei denen zahlreiche Bewohner ihr Leben ließen.

Dass Peter der Große trotz der widrigen Gegebenheiten diesen Ort schließlich für seine neue Hauptstadt auswählte, ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass hier vorzüglich ein Seehafen angelegt werden konnte und zudem der Anschluss an das binnenrussische Flusssystem gegeben war. Im Stadtwappen wird dies ausgedrückt, indem neben dem Zepter sowohl ein See- als auch ein Binnenanker dargestellt werden. Des Weiteren war die Nähe zu Westeuropa ausschlaggebend, ging es Peter dem Großen doch darum, Russland zu modernisieren.

Erst ab dem Jahr 1706 ist, durch die Zwangsrekrutierung zahlreicher Leibeigener für die Bauarbeiten an der Newa-Mündung, ein wirklicher Plan für die Errichtung einer neuen Stadt erkennbar. Sobald dieses Ziel vor Augen stand, wurde es mit großem Nachdruck und mit Rücksichtslosigkeit von Zar Peter in wenigen Jahren umgesetzt. Während die Stadt in ihren Grundmauern erstand, verbot er die Errichtung von Steingebäuden in ganz Russland außerhalb Sankt Petersburgs – jeder verfügbare Steinmetz sollte an der Erbauung der neuen russischen Hauptstadt arbeiten. Die Flucht von Arbeitern aus der Stadt und vom oft tödlichen Bauprojekt wurde mit harten Strafen geahndet.

 
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Kupferstich: Sankt Petersburg und Newa (1753)

1706 wurden 30.000 Leibeigene im Zarentum Russlands zwangsrekrutiert, 1707 waren es 40.000. Ungefähr die Hälfte von ihnen schaffte es, auf dem Weg nach Nordwesten zu fliehen. Schon während der Errichtung der Stadt kamen vermutlich Zehntausende von Zwangsarbeitern und Leibeigenen ums Leben. Sie starben an Sumpffieber, Skorbut, an der Ruhr oder einfach an Hunger und Entkräftung. Große Teile der Stadt sind auf Pfählen im Boden errichtet, aufgrund der großen Zahl von Toten beim Bau sprechen viele Leute davon, dass sie eigentlich auf Skeletten ruht. Zudem befand Russland sich noch bis 1721 im Krieg gegen Schweden, mehrere Gefechte fanden in der Nähe der gerade gegründeten Zarenresidenz statt (vgl. Angriffe auf Sankt Petersburg). Erst nachdem die Schweden 1709 in der Schlacht bei Poltawa geschlagen worden waren, konnte die Stadt weitgehend als gesichert angesehen werden.

 Gribojedow-Kanal. Einer der vielen Kanäle in Sankt Petersburg Industrie- und Hafenanlagen an der Newa Katharinenpalast, Gartenansicht Die „Zwölf Kollegien“, unter Peter I. Sitz der russischen Ministerien

Da der russische Adel nicht bereit war, in die Stadt zu ziehen, beorderte Peter ihn nach Sankt Petersburg. Die Familien mussten auf eigene Kosten mit ihrem gesamten Haushalt in die Stadt ziehen, in Häuser, deren Stil und Größe genau festgeschrieben waren. 1714 standen in Sankt Petersburg etwa 50.000 bewohnte Häuser, die Stadt war die erste in Russland, die eine offizielle Polizei sowie eine effektiv funktionierende Feuerwehr hatte. Die Innenstadt wurde abends und nachts künstlich beleuchtet, die Bewohner dazu angehalten, Bäume zu pflanzen.

Sankt Petersburg wird Hauptstadt

Das Bauprogramm des Zaren konnte nur mit drastischen Maßnahmen durchgeführt werden. Baumaterialien waren an der Newamündung ein seltenes Gut. So wurde 1710 ein Erlass herausgegeben, nach dem jeder Einwohner der Stadt jährlich 100 Steine abliefern oder aber eine hohe Geldstrafe zahlen musste. Jedes Frachtschiff, das die Stadt anlief, musste einen bestimmten Prozentsatz der Ladung Steine anliefern. Ein Erlass von 1714 besagte, dass Steinbauten nur noch in Sankt Petersburg gebaut werden durften (dieser Erlass wurde erst 1741 wieder aufgehoben). Die drakonischen Erlasse des Zaren zeigten Erfolg: Schon 1712 erklärte Peter der Große Sankt Petersburg anstelle von Moskau zur Hauptstadt des Russischen Zarentums (ab 1721: des Russischen Kaiserreichs). Bis auf ein kleines Zwischenspiel in den Jahren 1728–1732, als der Hof wieder in Moskau residierte, blieb Petersburg bis 1918 Hauptstadt Russlands.

Blütezeit  Plan der Stadt um 1900 St. Petersburg und Umgebung um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert Winterpalast (beherbergt heute die Eremitage) vom Palastplatz aus aufgenommen

Peter ließ Handwerker und Ingenieure aus ganz Europa, insbesondere aus Deutschland und den Niederlanden, kommen, welche die neue Hauptstadt von Anfang an zu einem Zentrum europäischer Technik und Wissenschaft machen sollten. Zu dieser Zeit wurde die deutschsprachige St. Petersburgische Zeitung gegründet, die erste Zeitung der Stadt. Das Wachstum der Stadt hielt weiter an. So zählte St. Petersburg 1725 bereits 70.000 Einwohner.

Nach dem Tod Peters des Großen 1725 legte sich der Enthusiasmus der russischen Herrscher für das Fenster nach Europa. Im Jahr 1727 wurde Moskau für kurze Zeit wieder Hauptstadt. Erst Kaiserin Anna kehrte nach Sankt Petersburg zurück und machte es erneut zur Hauptstadt, ihre stadtplanerische Entscheidungen prägen die Stadt bis ins 21. Jahrhundert. Sie verlegte zum einen das Stadtzentrum von der sogenannten Petrograder Seite auf die Admiralitätsseite der Newa, zum anderen legte sie die wichtigsten Hauptstraßen, den Newski-Prospekt, die Gorochowaja Uliza und den Wosnessenski-Prospekt an. Trotzdem residierte sie weiterhin lieber und öfter in Moskau.

Kaiserin Elisabeth (1741–1762) und vor allem Katharina II. „die Große“ (1762–1796) öffneten das Reich wieder verstärkt nach Westen, indem sie Künstler und Architekten nach Sankt Petersburg holten. Durch das Einladungsmanifest Katharinas wurden unter anderem Religionsfreiheit und die Selbstverwaltung auf lokaler Ebene mit Deutsch als Sprache zugesichert, ferner eine finanzielle Starthilfe. In der Zeit Elisabeths entstanden die meisten der Prunkbauten, die noch immer das Stadtbild bestimmen. Sie ließ unter anderem den Winterpalast und das Smolny-Kloster bauen. Den Katharinenpalast ließ sie zu Ehren ihrer Mutter umgestalten, der Stil Francesco Rastrellis begann die Stadt zu prägen.

 Alexander II. von Russland Grabkapelle der letzten Kaiserfamilie in der Peter-Paul-Kathedrale Der Kreuzer Aurora, Symbol der Oktoberrevolution von 1917, liegt vor der Kadettenakademie. Alter emaillierter Anstecker von Leningrad aus der Zeit der UdSSR

Die nach Peter wahrscheinlich wichtigste Gestalt in der Geschichte der Stadt ist Katharina die Große, die 1762 den Thron bestieg. Sie sah sich – zumindest bis die Französische Revolution ausbrach – dem Geist der Aufklärung verpflichtet und setzte auf Bildung und Kunst. Katharina II. gründete in ihrer Zeit 25 akademische Einrichtungen sowie mit dem Smolny-Institut die erste staatliche russische Schule für Mädchen. Das Reiterstandbild Peters des Großen, ein Wahrzeichen der Stadt, stammt ebenfalls aus dieser Zeit.

Ende des 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlebte die Stadt eine Blütezeit, vorerst vor allem auf kulturellem, später auf wissenschaftlich-technischem Gebiet. Die erste russische Ballettschule entstand 1738 in der Stadt. 1757 eröffnete die Akademie der Künste, in der seitdem Maler, Bildhauer und Architekten ausgebildet werden. Theater und Museen, höhere Schulen und Bibliotheken entstanden: 1783 wurde das Mariinski-Theater eröffnet, in dem später die großen Nationalopern Michail Glinkas aufgeführt werden sollten. 1810 wurde eine militärische Ingenieursschule gegründet, das erste höhere Bildungsinstitut für Ingenieure in Russland (nach mehreren Umbenennungen, so 1855 in Nikolajewski-Militärakademie für Ingenieurswesen und zuletzt 1997, besteht sie nunmehr als Militärische ingenieurtechnische Universität).[1][2] 1819 wurde aus dem Pädagogischen Institut die Petersburger Universität. Bis auf wenige Ausnahmen waren vor allem deutsche Handwerker daran beteiligt, dass Sankt Petersburg Zentrum des russischen Klavierbaus wurde. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts gab es in Sankt Petersburg 60 Manufakturen und Fabriken für Klavierbau, darunter Tischner, Diederichs, Mühlbach, Becker, Lichtenthal, Tresselt, Ihse oder Wirth.

Die Aufhebung der Leibeigenschaft in Russland durch Kaiser Alexander II. sorgte ab 1861 dafür, dass zahlreiche Menschen in die Stadt einwanderten. Die Bevölkerungszahl schnellte innerhalb weniger Jahre empor.

Schriftsteller und Intellektuelle schlossen sich in literarischen Kreisen zusammen und gaben Wörterbücher und Zeitschriften heraus. Der Brockhaus-Efron entstand 1890 als erste russische Enzyclopädie in Sankt Petersburg. Zu den wichtigsten Zeitschriften zählen etwa der Polarstern von Rylejew und Bestuschew oder Puschkins Sowremennik (Der Zeitgenosse).

Aufstände, Attentate, Revolutionen

In der Soldaten- und Regierungsstadt Sankt Petersburg fanden bis 1918 alle wichtigen Revolten und Revolutionen der russischen Geschichte statt, der Dekabristenaufstand 1825 ebenso wie die Ereignisse, die langfristig zur Gründung der Sowjetunion führten. In Sankt Petersburg nahmen Ende des 19. Jahrhunderts Unruhen und kleinere Aufstände zu. Die Stadt war Schauplatz zahlreicher Attentate gegen Mitglieder des Zarenhofs und der russischen Verwaltung; unter anderem wurde hier 1881 Alexander II. ermordet.

Revolutionäre Parteien und Vereinigungen gründeten sich, die von der Polizei blutig verfolgt wurden. In Sankt Petersburg begann mit dem Petersburger Blutsonntag die Revolution von 1905 bis 1907. Als Folge wurde die zweite Duma der russischen Geschichte in der Stadt eröffnet, sie blieb politisch allerdings einflusslos. Die Februarrevolution 1917 fand vor allem in Sankt Petersburg statt. Das Startsignal für die Oktoberrevolution 1917 gab ein Schuss des Kreuzers Aurora im Petrograder Hafen. Der nahe gelegene Hafen von Kronstadt bildete das Zentrum eines anarchistisch und rätekommunistisch inspirierten Matrosenaufstands gegen die Diktatur der Bolschewiki, der von Leo Trotzki blutig niedergeschlagen wurde. Lenin erklärte Moskau (wieder) zur sowjetischen und russischen Hauptstadt. Die Bevölkerungszahl der Stadt sank innerhalb weniger Jahre erheblich primär durch Bürgerkrieg und die dadurch verursachte Hungersnot und sekundär durch den Statusverlust und den Umzug der gesamten Regierung und Verwaltung nach Moskau.

Leningrad

Nach dem Tode Lenins wurde die ehemalige Stadt der Zaren in Leningrad umbenannt. Dies beschloss der zweite Rätekongress der UdSSR am 26. Januar 1924 auf einen entsprechenden Wunsch des Petrograder Rates der Deputierten hin.[3] Das Machtzentrum der Sowjetunion verschob sich dennoch immer mehr nach Moskau. Hatten die Funktionäre der KPdSU in Leningrad anfangs noch gesamtstaatlichen Einfluss, änderte sich das mit dem Ausbau der persönlichen Macht Stalins. 1934 wurde unter bis heute ungeklärten Umständen der populäre Leningrader Parteichef Sergei Kirow in seinem Büro ermordet, der ehemalige Vorsitzende des Petrograder Sowjets Grigori Sinowjew starb 1936 in Folge eines Schauprozesses und 1940 wurde Leo Trotzki, ebenfalls ehemaliger Vorsitzender des Petrograder Sowjets, im mexikanischen Exil umgebracht.

In der Stadtplanung zeigte sich die Auseinandersetzung zwischen Moskau und Leningrad. Der Generalplan von 1935 sah vor, das Stadtzentrum nach Süden zu verlegen, an den neu geschaffenen Moskauer Platz am Moskauer Prospekt. Zentrum Leningrads sollte das an dessen Ostseite gelegene Haus der Sowjets werden, ähnlich dem für Moskau geplanten Palast der Sowjets. Der Moskauer Platz und seine Umgebung sind in der Form des typischen Zentrums der Sozialistischen Stadt angelegt, wie man es dutzendfach in der Sowjetunion finden konnte. Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs und materielle Schwierigkeiten bedeuteten schließlich das Aus für die Verlegung des Zentrums. Der Platz ist der größte der Stadt. Beobachter werten den Leningrader Generalplan allgemein als Angriff auf das alte Petersburg. Durch die Verlegung des Zentrums sollte das alte Sankt Petersburg abgewertet werden. Form und Benennung („Moskauer Platz“, „Moskauer Prospekt“) der neuen Mitte sollten der Stadt ihre Besonderheit nehmen und sie zu einer unter vielen Sowjetstädten machen.

Leningrader Blockade

Während des Zweiten Weltkrieges wurde die Stadt 871 Tage lang von deutschen Truppen unter Generalfeldmarschall Wilhelm Ritter von Leeb (Oberbefehl bis 16. Januar 1942) belagert. In der Zeit der Belagerung vom 8. September 1941 bis zum 27. Januar 1944, in der die Wehrmacht auf Befehl Hitlers keine Eroberung Leningrads versuchte, sondern stattdessen die Stadt systematisch von jeglicher Versorgung abschnitt, starben über eine Million Zivilisten. Eine geheime Weisung des Oberkommandos der Wehrmacht vom 23. September 1941 lautete: „Der Führer ist entschlossen, die Stadt Petersburg vom Erdboden verschwinden zu lassen. Es besteht nach der Niederwerfung Sowjetrusslands keinerlei Interesse am Fortbestand dieser Großsiedlung.“ Ab Frühjahr 1942 wurde das historische Ingermanland, zu dem ein Großteil des Gebietes von Leningrad gehörte, dann als „deutsches Siedlungsgebiet“ in die Annexionspläne des Generalplans Ost mit einbezogen. Das implizierte den Genozid an den etwa drei Millionen Einwohnern Leningrads, die in dieser „Neuordnung des Ostraums“ keinen Platz mehr gehabt hätten.

In der Zeit der deutschen Belagerung Leningrads konnten Nahrungsmittel zur Versorgung der Millionenstadt nur unter großen Gefahren per Flugzeug oder im Winter über den vereisten Ladogasee per Eisenbahn und Lkw („Straße des Lebens“) nach Leningrad gebracht werden. Die Route über den See lag im Schussfeld der Wehrmacht, im Schnitt kam von drei gestarteten Lastkraftwagen einer in Leningrad an. Besonders dramatisch war die Situation im Jahr 1941. Durch Luftangriffe wurde ein Großteil der Nahrungsmittelvorräte vernichtet, zudem brach der Winter ungewöhnlich früh ein. Der Abwurf gefälschter Lebensmittelbezugsscheine aus Flugzeugen der Wehrmacht tat ein Übriges. Die Rationen sanken im Oktober auf 400 Gramm Brot für Arbeiter, 200 Gramm für Kinder und Frauen. Am 20. November 1941 wurden sie auf 250 Gramm respektive 125 Gramm reduziert. Zudem herrschten Temperaturen von bis zu −40 Grad Celsius in einer Stadt, in der Heizmaterial äußerst knapp war. Allein im Dezember 1941 starben rund 53.000 Menschen. Viele von ihnen fielen einfach vor Entkräftung auf der Straße um.

 Gedenkstätte zur Erinnerung an die Blockade der Stadt

Während der Belagerung wurden etwa 150.000 Artilleriegeschosse auf die Stadt abgeschossen, etwa 100.000 Fliegerbomben fielen. Bei Versuchen der Roten Armee, die Belagerung zu sprengen, kamen dazu etwa 500.000 sowjetische Soldaten ums Leben. Versuche 1941 und 1942 scheiterten, erst mit der Einnahme von Schlüsselburg am 18. Januar 1943 gelang es, wieder eine Versorgungslinie in die Stadt zu etablieren. Die Offensive, welche die Stadt befreien sollte, begann am 14. Januar 1944 und konnte 13 Tage später, am 27., zum Abschluss gebracht werden.

Bis in die 1980er Jahre wurde die Leningrader Blockade von einigen Historikern nicht in Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik gesehen, sondern davon abgekoppelt, beispielsweise von Joachim Hoffmann, als völkerrechtlich „zu den gebräuchlichen und unbestrittenen Methoden der Kriegführung“ gehörend gewertet. In der gegenwärtigen historischen Forschung wird der Charakter der Blockade als „Genozid“ herausgearbeitet, der kein schicksalhaftes Ereignis im Rahmen einer angeblich völkerrechtskonformen Kriegführung darstellte, sondern auf Basis einer „rassistisch motivierten Hungerpolitik“, verbunden mit selbstgeschaffenen Sachzwängen integraler Bestandteil des deutschen Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion war.[4] Die Historiker Jörg Ganzenmüller, Johannes Hürter und Adam Tooze zeigen in jüngeren Studien, dass der Hungertod der Bewohner sowjetischer Städte, mit Leningrad an herausragender Stelle, von der deutschen Kriegführung gezielt einkalkuliert war, schon weil die für ihre Versorgung notwendigen Nahrungsmittel für die Wehrmacht und die Zivilbevölkerung in Deutschland und den besetzten westeuropäischen Ländern eingeplant waren.[5]

Nach dem Zweiten Weltkrieg

Die Behandlung Leningrads nach dem Großen Vaterländischen Krieg, wie der Kampf gegen Deutschland im Zweiten Weltkrieg in Russland genannt wird, war widersprüchlich. Einerseits war die Stadt zu dem sowjetischen Symbol von Widerstandswillen und Leiden im Krieg geworden – andererseits tobten Machtkämpfe zwischen Leningrader und Moskauer Funktionären noch bis in die 1950er Jahre hinein. Der Wiederaufbau Leningrads wurde zu einer Prestigeangelegenheit der Sowjetunion. Innerhalb kürzester Zeit wurde eine Million Arbeiter in die Stadt gezogen, die sie wiederaufbauten – die Restaurierung der Kulturdenkmäler besaß dabei eine besondere Wertigkeit. 1945 erhielt die Stadt die Auszeichnung als Heldenstadt. In der Stadt bestanden die beiden Kriegsgefangenenlager 254 und 339 für deutsche Kriegsgefangene des Zweiten Weltkriegs.[6] Schwer Erkrankte wurden im Kriegsgefangenenhospital 1261 versorgt.

 Englischer Innenstadtplan Leningrads von 1978

Ebenfalls in den Nachkriegsjahren wurden zahlreiche neue Stadtteile gebaut – 1953 war das Jahr, in dem mehr neuer Wohnraum in der Stadt geschaffen wurde als je vorher oder nachher. Das 250-jährige Stadtjubiläum wurde verschoben: 1953 war der Machtkampf noch im Gange und jede positive Erwähnung unerwünscht – zudem war im März Stalin gestorben; eine Feierlichkeit, egal aus welchem Anlass, erschien nicht angebracht. Die Feier wurde 1957 unter Stalins Nachfolger Chruschtschow nachgeholt – ohne die Erwähnung, dass es eigentlich der 254. Geburtstag war.

In den Folgejahren hielt die Stadt ihren Ruf als große Industriestadt und eines der wissenschaftlichen Zentren der Sowjetunion. Das politisch-kulturelle Zentrum Russlands und der Sowjetunion lag zu dieser Zeit aber klar in Moskau. Die Bevölkerung war durch die Ereignisse der Kriegs- und Nachkriegszeit ebenfalls zu einem Großteil ausgetauscht worden – die Verbundenheit mit Petersburg in der Stadt wurde zunehmend schwächer.

1988 wurde bei einem Brand in der Bibliothek der Russischen Akademie der Wissenschaften ungefähr eine Million Bibliotheksbände ein Opfer der Flammen.[7] 1989 wurde die Innenstadt unter Denkmalschutz gestellt. 1990 wurde die Innenstadt von Sankt Petersburg und die dazugehörigen Monumente zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt.[8] 1991 zerfiel die Sowjetunion.

Russische Föderation, Sankt Petersburg

Nach einer Volksabstimmung, in der sich am 12. Juni 1991 54 Prozent der Bevölkerung für die Rückkehr zum historischen Namen ausgesprochen hatten,[9] stimmte der Stadtrat am 25. Juni 1991 der Umbenennung mit großer Mehrheit zu[10] und die Stadt erhielt am 6. September 1991 durch ein Dekret des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR wieder den Namen Sankt Petersburg.[11] Die umgebende Verwaltungseinheit blieb aber weiterhin als Leningrader Gebiet (Oblast Leningrad) bestehen.

 Der Newski-Prospekt in der Abenddämmerung

Während der Verfassungskrise unter Präsident Boris Jelzin im Oktober 1993 sammelte der damalige Petersburger Oberbürgermeister Anatoli Sobtschak die Anhänger Jelzins um sich, es kam zu einer großen Demonstration vor dem Winterpalast gegen den Kongress der Volksdeputierten.

1999 wurde die Fläche der Stadt Sankt Petersburg durch die Satellitenstädte Kolpino, Puschkin, Lomonossow, Kronstadt, Peterhof sowie angrenzende Vororte erweitert. Diese ehemaligen Städte sind jetzt Stadtbezirke von St. Petersburg und gehören daher nicht mehr administrativ und territorial zur Oblast Leningrad.

Am 27. Mai 2003 beging die Stadt ihr 300-jähriges Jubiläum. Zur Vorbereitung wurden Teile der Altstadt und verschiedene Paläste saniert. Der russische Staat gab dafür ein bis zwei Milliarden Euro aus. An den Kosten der Nachbildung des im Zweiten Weltkrieg verschollenen Bernsteinzimmers beteiligte sich die deutsche Ruhrgas, eng verbunden mit dem staatlichen russischen Energiekonzern Gazprom, durch eine Spende von 3,5 Millionen Dollar.[12] Am 31. Mai des Jahres weihten Russlands Präsident Wladimir Putin und Deutschlands Bundeskanzler Gerhard Schröder das rekonstruierte Bernsteinzimmer ein.

Im Juli 2006 trafen sich hier internationale Politiker auf einem G8-Gipfel und im September 2013 auf einem G20-Gipfel.

Durch einen Terroranschlag am 3. April 2017 wurden 14 Menschen in einem Zug in der Metro Sankt Petersburg getötet.[13]

Seit 1. Oktober 2019 ist ein visumfreier Besuch von bis zu 8 Tagen per E-Visum, das kostenfrei erteilt wird, für EU-Bürger möglich.[14]

Ab 2020 wurden die Gemeindeabgeordneten des Bezirks Smolninskoje an der Abhaltung ihrer Sitzungen im Bezirksgebäude gehindert; sie beschlossen daraufhin, jeweils auf dem Balkon zu tagen. Die beschlussfähigen Anwesenden der Sitzung vom 7. September 2022 besprachen neben dem Verkehrsproblem und dem Unterhalt von Fußgängerübergängen auch einen Antrag an die Russische Duma zur Anklage Wladimir Putins wegen Hochverrats aufgrund des gegen die Interessen Russlands begonnenen Überfalls auf die Ukraine. Der Antrag wurde mit sieben Stimmen bei drei Enthaltungen angenommen. Rein rechtlich muss der Beschluss protokolliert werden und müssen die Briefe an die Dumamitglieder versendet werden, welche den Hinweis auf laut Artikel 176, Kapitel 22, Abschnitt IV der Geschäftsordnung der Staatsduma enthalten, wonach die Duma-Abgeordneten das Recht haben, einen Antrag auf gerichtliche Klärung zu stellen. Der Appell wurde speziell formuliert, um die Armee nicht zu „diskreditieren“. Sofort wurden Ermittlungen exakt deswegen aufgenommen.[15][16]

Stephen Timoshenko Engineering Education in Russia, McGraw-Hill Book Company, 1959. Russian emperor's army Karl Schlögel, Frithjof Benjamin Schenk, Markus Ackeret (Hrsg.): Sankt Petersburg. 2007, ISBN 978-3-593-38321-7, S. 57 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche). Jörg Ganzenmüller: Das belagerte Leningrad 1941–1944. Eine Stadt in den Strategien von Angreifern und Verteidigern. Schöningh, Paderborn 2005, S. 13–82, Zitate S. 17 und 20; das Joachim Hoffmanns Position betreffende Zitat bezieht sich auf dessen Beitrag: Joachim Hoffmann, Die Kriegführung aus der Sicht der Sowjetunion. In: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, hrsg. v. Militärgeschichtlichen Forschungsamt. Band 4. Der Angriff auf die Sowjetunion. DVA, Stuttgart 1983, ISBN 3-421-06098-3, S. 713–809, hier S. 741. Jörg Ganzenmüller: Das belagerte Leningrad 1941–1944. Eine Stadt in den Strategien von Angreifern und Verteidigern. Schöningh, Paderborn 2005, S. 13–82; Johannes Hürter: Hitlers Heerführer. Die deutschen Oberbefehlshaber im Krieg gegen die Sowjetunion 1941/42. Oldenbourg, München 2006, ISBN 978-3-486-58341-0, S. 497–500; Adam Tooze: Ökonomie der Zerstörung. Die Geschichte der Wirtschaft im Nationalsozialismus. Aus dem Englischen von Yvonne Badal. Siedler, München 2007, ISBN 978-3-88680-857-1, S. 555–559. Erich Maschke (Hrsg.): Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges. Gieseking, Bielefeld 1962–1977, ISBN 3-7694-0396-7. newsinfo.ru; abgerufen am 16. März 2008 Historisches Zentrum von Sankt Petersburg und zugehörige Monumente. UNESCO World Heritage Centre 1992-2017, abgerufen am 31. Dezember 2017 (englisch). Eleanor Randolph: Voters chose old name over new: Leningrad may become St. Petersburg. The Washington Post, 14. Juni 1991, abgerufen am 12. Juni 2021 (englisch). Leningrad council accepts name change. UPI, 25. Juni 1991, abgerufen am 12. Juni 2021 (englisch). The name of Peter restored to Leningrad. prlib.ru, 6. September 1991, abgerufen am 12. Juni 2021 (englisch, russisch). Nach einer Selbstdarstellung der Firma e.on aus dem Jahr 2005, S. 90. (pdf) (Memento vom 11. April 2013 im Internet Archive) Schwere Explosion in U-Bahn-Station in St. Petersburg. In: NZZ.ch, 3. April 2017, abgerufen am 3. April 2017. Elektronische Visa für Besucher der Stadt Sankt Petersburg und des Leningrader Gebiets. Botschaft der Russischen Föderation, abgerufen am 24. Oktober 2019. Лиговка даёт сдачи, Nowajagaseta.eu, 9. September 2022 Russische Abgeordnete wollen Putin wegen Hochverrats anklagen, RND, 9. September 2022
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