Kontext von Algerien

Algerien (arabisch الجزائر al-Dschazā’ir, DMG al-Ǧazāʾir ‚die Inseln‘; berberisch ⵍⴻⵣⵣⴰⵢⴻⵔ Lezzayer, ⵍⴷⵣⴰⵢⴻⵔ Ldzayer und ⴷⵣⴰⵢⴻⵔ Dzayer; amtlich الجمهورية الجَزائرية الديمقراطية الشعبية al-Dschumhūrīya al-Dschazā’irīya ad-DīmuWeiterlesen

Algerien (arabisch الجزائر al-Dschazā’ir, DMG al-Ǧazāʾir ‚die Inseln‘; berberisch ⵍⴻⵣⵣⴰⵢⴻⵔ Lezzayer, ⵍⴷⵣⴰⵢⴻⵔ Ldzayer und ⴷⵣⴰⵢⴻⵔ Dzayer; amtlich الجمهورية الجَزائرية الديمقراطية الشعبية al-Dschumhūrīya al-Dschazā’irīya ad-Dīmuqrātīya asch-Schaʿbīya, DMG al-Ǧumhūriyya al-Ǧazāʾiriyya ad-Dīmuqrāṭiyya aš-Šaʿbiyya ‚Algerische Demokratische Volksrepublik‘, auf berberisch ⵜⴰⴳⴷⵓⴷⴰ ⵜⴰⵣⵣⴰⵢⵔⵉⵜ ⵜⴰⵎⴰⴳⴷⴰⵢⵜ ⵜⴰⵖⴻⵔⴼⴰⵏⵜ Tagduda tazzayrit tamagdayt taɣerfant) ist ein Staat im Nordwesten Afrikas.

Algerien, als mittleres der Maghrebländer, ist – seit der Trennung des Südsudans vom Sudan – der Fläche nach der größte Staat des afrikanischen Kontinents und der zehntgrößte Staat der Welt. Nach Einwohnern lag Algerien im Jahr 2017 innerhalb Afrikas mit gut 41 Millionen an achter Stelle. Es grenzt im Norden an das Mittelmeer, im Westen an Mauretanien, Marokko und die von Marokko beanspruchte Westsahara, im Süden an Mali und Niger und im Osten an Libyen sowie Tunesien. Das Land ist nach seiner Hauptstadt Algier (französisch Alger) benannt. Weitere bedeutende Großstädte sind Oran, Constantine, Annaba und Batna. Das Land wurde nach Ende des Algerienkriegs (1954–1962) unabhängig. Mit der Verfassung von 1996 trat ein semipräsidentielles Regierungssystem in Kraft.

Mehr über Algerien

Grundinformation
  • Währung Algerischer Dinar
  • Ursprünglicher Name الجزائر
  • Anrufcode +213
  • Internet Domäne .dz
  • Mains voltage 230V/50Hz
  • Democracy index 3.77
Population, Area & Driving side
  • Bevölkerung 43900000
  • Fläche 2381741
  • Fahrseite right
Verlauf
  • Berber, Phönizier, Vandalen und Oströmer
     
    Ruine des Trajansbogens von Thamugadi (Timgad)

    Ursprünglich war das Gebiet des heutigen Algerien von berberischen Volksstämmen bewohnt, im Osten von Tuareg. Vom 12. Jahrhundert v. Chr. an errichteten die Phönizier an der Küste Handelsstützpunkte und gründeten 814 v. Chr.Weiterlesen

    Berber, Phönizier, Vandalen und Oströmer
     
    Ruine des Trajansbogens von Thamugadi (Timgad)

    Ursprünglich war das Gebiet des heutigen Algerien von berberischen Volksstämmen bewohnt, im Osten von Tuareg. Vom 12. Jahrhundert v. Chr. an errichteten die Phönizier an der Küste Handelsstützpunkte und gründeten 814 v. Chr. die Handelsstadt Karthago im heutigen Tunesien, die sich in der Folge zur Großmacht im westlichen Mittelmeer entwickelte. Um 202 v. Chr. schlossen sich die Berber-Stämme (Mauren) unter Massinissa zum Königreich Numidien zusammen und verbündeten sich mit Rom gegen Karthago. Die Erhebung Karthagos gegen Massinissa 149 v. Chr. lieferte Rom den erwünschten Vorwand für den Dritten Punischen Krieg, in dessen Verlauf Karthago zerstört wurde. 46 v. Chr. unterwarf Rom Numidien und vereinigte es mit Karthago zur römischen Provinz Numidia-Mauretania. Bis zum Einfall der Vandalen im Jahre 429 n. Chr. war diese die Kornkammer Roms. Die Vandalenherrschaft endete 534 mit der Eroberung durch Truppen des oströmischen Kaisers Justinian I., wodurch Nordafrika byzantinische Provinz wurde.

    Schon seit dem 3. Jahrhundert hatte das Christentum in Nordafrika an Einfluss gewonnen. In den großen Städten waren mehrere Bistümer entstanden: So war der hl. Augustinus, der einflussreichste Kirchenlehrer des frühen Christentums, Ende des 4. Jahrhunderts Bischof von Hippo Regius, dem heutigen Annaba.[1]

    Islamisierung und Arabisierung

    Um die Mitte des 7. Jahrhunderts stießen die Araber in den Maghreb vor. 697 eroberten sie einen Großteil des heutigen Algerien. Die Bevölkerung wurde größtenteils islamisiert. Im Laufe des 8. Jahrhunderts kam es wiederholt zu Aufständen der Berber gegen die arabischen Eroberer: 757 wurden die Berber-Reiche im Atlasgebirge vom Kalifat unabhängig, während die drei sich herausbildenden Fürstentümer der Idrisiden, Aghlabiden und Ziriden unter dessen Herrschaft gerieten.

    Im 11. Jahrhundert konnte sich die Berberdynastie der Almoraviden im Gebiet des heutigen Algerien durchsetzen; sie beherrschte das Land fast 100 Jahre, bis sie 1147 von den Almohaden abgelöst wurde. Diese Dynastie eroberte in der Folgezeit den Maghreb und Südspanien; in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts zerfiel das Reich dann jedoch. Ostalgerien wurde Teil eines tunesischen Fürstentums, im Westen bildete sich von 1269 an das Königreich der Abd-al-Wadiden mit der Hauptstadt Tlemcen (heutiges Tilimsen) heraus.

    Osmanische Herrschaft
     
    Die Bombardierung Algiers (1816) durch ein britisch-niederländisches Geschwader nach Nicolaas Baur 1818

    Anfang des 16. Jahrhunderts versuchten die Spanier, an der algerischen Küste Fuß zu fassen. Daraufhin unterstellte sich das Land 1519 der Oberhoheit des Osmanischen Reiches und wurde dessen Vasall; Algerien wurde das Eyâlet Cezayir innerhalb des Osmanischen Reiches und später in ein Vilâyet umgewandelt. Es blieb bis 1830 unter Osmanischer Oberhoheit, war jedoch ab 1711 faktisch unabhängig. Bis ins 19. Jahrhundert konnte sich Algerien gegen die Versuche der Spanier, Niederländer, Briten und Franzosen zur Eindämmung der Seeräuberei erfolgreich zur Wehr setzen.

    Die Barbaresken-Piraten plünderten Schiffe von Christen und Nichtmuslimen im Mittelmeer.[2] Oft raubten die Piraten auch die Seemänner und Passagiere, um diese in die Sklaverei weiterzuverkaufen. Schätzungen des Historikers Robert Davis gehen davon aus, dass zwischen dem 16. bis 19. Jahrhundert etwa 1 Million bis 1,25 Millionen Europäer in der Sklaverei landeten.[3] Durch die Sklaven-Raubzüge an den europäischen Küsten entstand der heutige Begriff Razzia.

     
    Radierung aus der Werkstatt Jan Goeree (1670–1731) und Casper Luyken (1672–1708) mit dem Titel Landing en mishandeling van gevangenen in Algiers, 1706, aus der Sammlung des Amsterdam Museum
    Französische Kolonialherrschaft

    Erste Pläne zur Eroberung Algeriens durch Frankreich wurden unter Napoleon Bonaparte erstellt. 1830 begann die französische Invasion. Hintergrund waren innenpolitische Probleme Karls X.; als Begründung des Angriffes auf Algerien wurden aber vor allem das respektlose Verhalten des algerischen Dey (der berühmte Schlag mit dem Fliegenwedel), die von den nordafrikanischen Küsten ausgehende Piraterie und das Ziel der Verbreitung des Christentums angeführt. Dazu wurde auch 1831 die Fremdenlegion – Légion étrangère gegründet. Die vom Sufismus geprägten Algerier empfanden den französischen Vorstoß als Angriff des Christentums auf die Welt des Islams. Der junge Abd el-Kader wurde zu ihrem Führer und rief zum Dschihad auf. Nach massiven Rückschlägen wurde Thomas Robert Bugeaud Befehlshaber der französischen Truppen. Durch eine äußerst grausame Kriegsführung, auch gegen Zivilisten, besiegte er Abd el-Kader 1847. Die große Kabylei wurde bis 1855 erobert. In den folgenden Jahren wurden Aufstände der Algerier niedergeschlagen, sodass die Franzosen 1881 die vollständige Kontrolle über den Norden Algeriens erlangt hatten.

    Die algerische Bevölkerung hatte massive Verluste erlitten. Die staatlichen und religiösen Strukturen Algeriens wurden zerschlagen, das Gemeineigentum an Ländereien wurde aufgehoben.[4] Zahlreiche Siedler, Italiener, Spanier, Franzosen und Malteser, strömten in die Siedlungskolonie, während die einheimischen Bauern in weniger fruchtbare Gebiete abgedrängt wurden. Um die Jahrhundertwende eroberten die Franzosen auch die Saharagebiete Algeriens. Danach wurde Algerien in drei Départements gegliedert: Oran, Algier, Konstantin.

    Die Bevölkerung Algeriens wurde durch den Code de l’indigénat von 1875 in Bürger erster und zweiter Klasse unterteilt, in französische Staatsbürger (zuerst nur Franzosen, seit 1889 auch Italiener, Malteser und Spanier) und französische Untertanen ohne Staatsbürgerschaft („Sujets“). Am 26. August 1881 wurden die drei Départements zum Bestandteil Frankreichs erklärt. Sie waren danach keine Kolonie mehr, sondern französisches Staatsgebiet mit denselben Rechten und Pflichten wie alle anderen Départements. Die Sahara-Gebiete blieben unter Militärverwaltung.

    Die nicht-französischen Europäer in Algerien assimilierten sich rasch an die französische Kultur. Eine Zwischenstellung hatten die fast 40.000[5] algerischen Juden. Seit der Dreyfus-Affäre war unter den Siedlern der Antisemitismus verbreitet; es kam zu Ausschreitungen gegen Juden, und es wurden antisemitische Zeitungen publiziert. 1870 waren die jüdischen Algerier mit dem Décret Crémieux[5] gegen ihren Willen zu französischen Staatsbürgern erklärt worden.

    In der Zeit bis zum Zweiten Weltkrieg erwarben die Europäer immer mehr Ackerland, teils durch Kauf, teils durch rechtliche Tricks. 1936 hielten sie 40 % des fruchtbaren Landes. Dennoch lebte die Mehrheit der europäischen Algerier in den Städten. Die Zahl der muslimischen Algerier stieg nach 1870 von zwei auf neun Millionen, die Zahl der Europäer auf eine Million. Die muslimischen Algerier verarmten in 100 Jahren französischer Herrschaft, sodass Unterernährung bis hin zu Hungersnöten verbreitet war. Von der Bildung, die Frankreich als seinen zivilisatorischen Auftrag verherrlichte, waren fast alle Muslime ausgeschlossen. Reformversuche der französischen Politik, ob von konservativen oder sozialistischen Kräften, scheiterten, da sie meist nationalistisch gefärbt waren und nicht wagten, den Anspruch Frankreichs auf die Herrschaft über Algerien in Frage zu stellen.[6]

     
    Ernest-Francis Vacherot: Arrivée du maréchal Randon à Alger en 1857, 1857, Öl auf Leinwand, 90,5 × 117 cm, Musée national de la Marine, Toulon

    Zu Beginn des Ersten Weltkriegs waren rund 30.000 Algerier als Arbeitskräfte in Frankreich beschäftigt. Während des Krieges benutzte die französische Regierung die algerische Bevölkerung als wirtschaftliche und militärische Reserve. Insgesamt wurden in dieser Zeit 120.000 Algerier zur Arbeit nach Frankreich geholt. Weitere 173.000 dienten als Freiwillige oder Wehrpflichtige in den französischen Streitkräften. Bis 1939 fiel die Zahl der algerischen Arbeitsmigranten in Frankreich dann auf rund 32.000. Aus der Gruppe dieser Migranten entstand die Étoile Nord-Africaine, eine politische Partei der Algerier mit dem Ziel der Unabhängigkeit von Frankreich.[7]

    Aufschwung erhielt die Unabhängigkeitsbewegung insbesondere nach dem Massaker von Sétif; bei Unruhen in Sétif, Kherrata und Guelma waren zehntausende Algerier von der französischen Armee getötet worden. Als Reaktion auf das Erstarken der Unabhängigkeitsbewegung wurde im September 1947 durch das Algerien-Statut allen Algeriern die französische Staatsbürgerschaft zuerkannt, doch hielt dies den Kampf um die Loslösung von Frankreich nicht auf. Der 1954 beginnende Algerienkrieg (bis 1962) wurde von beiden Seiten mit äußerster Härte geführt. Die arabischen Algerier verübten Terroranschläge gegen die europäischen Soldaten und Zivilisten in Algerien. Das französische Militär wandte die Methoden der so genannten „französischen Doktrin“ an, die summarische Hinrichtungen, Folter und das Auslöschen ganzer algerischer Dörfer umfasste. Dies war zunächst militärisch erfolgreich, führte aber nach Bekanntwerden der systematischen Menschenrechtsverletzungen innen- und außenpolitisch zu einer Schwächung Frankreichs. Unter der Führung der Nationalen Befreiungsfront (FLN), die konkurrierende Gruppierungen der Unabhängigkeitsbewegung bekämpfte und ausschaltete, erlangte Algerien die Unabhängigkeit, die am 18. März 1962 im Abkommen von Évian anerkannt und in zwei Referenden – in Frankreich wie in Algerien selbst – bestätigt wurde. Am 5. Juli (Nationalfeiertag neben dem Tag der Revolution am 1. November) 1962 wurde offiziell die Unabhängigkeit proklamiert. Die Gesamtzahl der in Algerien getöteten Muslime wurde von Frankreich später mit 350.000, von algerischen Quellen mit bis zu 1,5 Millionen angegeben.

    Die sozialistische Volksrepublik

    Algerien entwickelte sich in der Folgezeit zu einer Volksrepublik mit der FLN als sozialistisch ausgerichteter Einheitspartei. Erster Staatspräsident wurde Ferhat Abbas. Nach dessen Absetzung folgte 1963 Muhammad Ahmed Ben Bella, bis Verteidigungsminister Oberst Houari Boumedienne durch einen Militärputsch im Juni 1965 an die Macht gelangte. Seine Regierung versuchte zunächst durch eine verstärkte Sozialisierungspolitik und Öffnung gegenüber dem Ostblock Algeriens wirtschaftliche Abhängigkeit von Frankreich zu überwinden. Ab 1972 verfolgte sie einen Kurs der Blockfreiheit und knüpfte Kontakte zum Westen. Nach dem Tod Boumediennes übernahm 1978 zunächst Rabah Bitat kommissarisch das Präsidentenamt, bis im Februar 1979 Oberst Chadli Bendjedid zum Präsidenten gewählt wurde. Mitte 1988 brachen schwere Unruhen aus, die zur Aufgabe des Machtmonopols der FLN führten. Ursache waren unter anderem die hohe Arbeitslosigkeit und die Wohnungsnot. Eine Demokratisierung wurde eingeleitet und eine neue demokratische Verfassung, die die Trennung von Partei und Staat, parlamentarische Verantwortung, Pluralismus, politische Freiheiten und Garantien der Menschenrechte vorsah, geschaffen (Verfassung vom 19. November, drei Tage später in Kraft getreten; Änderungen am 3. November 1988, 23. Februar 1989 und 26. November 1996).[8]

    Bürgerkrieg

    Der wirtschaftliche Niedergang führte im Oktober 1988 zu spontanen Ausschreitungen in der Hauptstadt Algier, die bald auf andere Städte übergriffen und Hunderte von Todesopfern forderten. Bei den Parlamentswahlen 1991/1992 befürchtete die Regierung einen Sieg der islamistischen Bewegung. Nach dem sich abzeichnenden Sieg der Islamischen Heilsfront (Front islamique du salut, FIS) wurden die Wahlen abgebrochen; Präsident Chadli Bendjedid trat unter dem Druck des Militärs zurück. Als Übergangspräsidenten setzte dieses zunächst Muhammad Boudiaf, nach dessen Ermordung Ali Kafi und schließlich 1994 General Liamine Zéroual ein. Im März 1992 wurde die Auflösung der FIS angeordnet, die daraufhin zum bewaffneten Kampf aufrief. Der Bürgerkrieg, der zwischen Islamisten und dem algerischen Militär geführt wurde, forderte über 120.000 Todesopfer. Im Februar 1995 starben beim Massaker im Serkadji-Gefängnis 95 Gefangene und vier Wärter. Die algerische Regierung wandte Vorgehensweisen eines „Schmutzigen Krieges“ an.

    Bereits im September 1998 war vom früheren GIA-Führer Hassan Hattab die „Salafistische Gruppe für Predigt und Kampf“ (französisch: „Groupe Salafiste pour la Prédication et le Combat“, GSPC) gegründet worden. Sie wurde auf Rat von Osama bin Laden gebildet, des vormaligen Führers der international tätigen islamistischen Terrororganisation Al-Qaida, mit dem Ziel, den „heiligen Krieg“, Dschihad, gegen die algerische Staatsmacht in seiner ursprünglichen Form wieder aufzunehmen.

    Wichtigstes innenpolitisches Ziel des im April 1999 mit Unterstützung des Militärs zum Staatspräsidenten gewählten Abd al-Aziz Bouteflika war die Beendigung der gewalttätigen Auseinandersetzungen durch eine „Politik der nationalen Versöhnung“. Während die algerische Führung zuvor die Zahl der Opfer des Bürgerkrieges meist mit nur rund 30.000 angegeben hatte, gestand er zu, dass sie 1999 schon bei rund 100.000 lag.[9]

    Im September 1999 wurde das von ihm vorgelegte „Gesetz zur Aussöhnung der Bürger“ (französisch: Loi de la Concorde Civile) vom Volk in einem Referendum bestätigt. Es sieht eine Amnestie für Terroristen vor, die ihre Waffen niederlegen und nicht schwere Verbrechen wie Mord, Vergewaltigung oder Bombenanschläge begangen haben.[10]

    Wenig später entschied sich die „Islamische Heilsarmee“ (französisch: Armée Islamique du Salut, AIS), der bewaffnete Arm der seit 1992 verbotenen Partei Islamische Heilsfront (französisch: Front Islamique du Salut, FIS), die Waffen niederzulegen. Die „Bewaffnete Islamische Gruppe“ (französisch: Groupe Islamique Armé, GIA), bestand zwar weiterhin, ihre Reste waren aber, so Der Spiegel, in eine Art Banditentum abgeglitten, bei dem religiöse Motive nur noch als Bemäntelung von Kriminalität dienten.[11]

    Nach einer Phase relativer Ruhe in den Jahren 1999/2000 nahmen die gewalttätigen Auseinandersetzungen wieder zu. Im April 2001 wurden Demonstrationen in der Kabylei, einer hauptsächlich von Berbern bewohnten Bergregion im Norden Algeriens, von der staatlichen Gendarmerie niedergeschlagen (rund 60 Tote).

    Befriedung des Landes

    Zur Entschärfung der Forderungen der Berber nach mehr Autonomie und demokratischer Partizipation begnadigte Bouteflika im August 2002 die Mehrheit der inhaftierten Demonstranten. Den Forderungen nach Abzug der Gendarmerie aus der Kabylei kam Bouteflika nicht nach.[9]

    Wirtschaftspolitisch versuchte Bouteflika ein Privatisierungsprogramm durchzusetzen. 2003 mussten jedoch die zuständigen Minister Mourad Medelci und Abdelhamid Temmar unter dem Druck des einflussreichen Gewerkschaftsdachverbands UGTA zurücktreten. Er hatte im Februar 2003 – zum zweiten Mal seit Beginn des Jahrzehnts – einen dreitägigen Generalstreik organisiert, der sich gegen das Privatisierungsprogramm der Regierung richtete. An dem Streik nahmen über 90 % der Arbeiter teil.

    Bei den Präsidentschaftswahlen am 8. April 2004 wurde Bouteflika mit 83 % der Stimmen als erster Präsident für eine zweite Amtszeit wiedergewählt. Sein wichtigster Konkurrent, der frühere Ministerpräsident Ali Benflis, sprach von Betrug. Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sprachen aber von einer fairen Wahl.

    Nach seiner Wiederwahl setzte Bouteflika seine „Versöhnungspolitik“ mit der Vorlage einer „Charta für Frieden und nationale Versöhnung“ fort. Sie wurde im September 2005 in einem Referendum angenommen. Sie umfasst eine Generalamnestie sowohl für staatliche Sicherheitskräfte und vom Staat bewaffnete Milizen als auch für bewaffnete Gruppen. Sie verneint jede Verantwortung der Sicherheitskräfte und der Milizen für schwere Menschenrechtsverletzungen. Kritik an den Sicherheitsorganen stellt sie unter Strafe. Die Verordnung, mit der sie umgesetzt wird, verhindert eine gerichtliche Untersuchung und Aufklärung des Schicksals Tausender im Verlauf des Bürgerkriegs „verschwundener“ Personen. Klagen gegen Mitglieder der Sicherheitskräfte müssen von den Gerichten abgewiesen werden. Angehörige von „Verschwundenen“ können allerdings eine Entschädigung beantragen.[10]

    Wirtschaftspolitisch wurden die Versuche, auf dem Weg von einer sozialistischen Planwirtschaft zu einer stärker marktwirtschaftlich orientierten Wirtschaftsordnung zu kommen, fortgesetzt. Die als wirtschaftspolitische Reformer geltenden Mourad Medelci und Abdelhamid Temmar, die 2003 zurücktreten mussten, übernahmen das Finanz- bzw. Investitionsförderungsministerium. Sie setzen sich für die Privatisierung öffentlicher Betriebe und die Öffnung des Erdöl- und Erdgassektor für private Investitionen ein.

    Anfang April 2009 gewann Bouteflika zum dritten Mal die Präsidentenwahl in Algerien nach offiziellen Angaben mit 90,24 % der Stimmen, bei einer Wahlbeteiligung von 74,5 %. Die Wahl war von mehreren gewaltsamen Zwischenfällen überschattet, außerdem war Bouteflikas fünf Gegenkandidaten kaum Gelegenheit gegeben worden, sich im 19-tägigen Wahlkampf zu profilieren.[12] Die wichtigsten Oppositionsparteien, die Rassemblement pour la culture et la démocratie (RCD) und der Front des forces socialistes (FFS), waren erst gar nicht zur Wahl angetreten. Die Opposition zweifelte das Ergebnis an.[13]

    2007 gab es unter anderem im April Anschläge auf den Amtssitz des algerischen Ministerpräsidenten und eine Polizeistation in Algier. Im Dezember wurde ein Anschlag auf das UNHCR-Büro in Algier verübt.[10]

    Am 23. Februar 2011 wurde der seit 19 Jahren bestehende Ausnahmezustand aufgehoben. Dies war eine Forderung der Opposition. 1992 wurde der Ausnahmezustand in Kraft gesetzt zur Bekämpfung von bewaffneten Islamisten.[14]

    Am 16. Januar 2012 griffen Islamisten einen Standort des Ölkonzerns BP an und nahmen offenbar zahlreiche Ausländer als Geiseln. Die algerische Nachrichtenagentur APS meldete, bei dem Angriff seien zwei Menschen getötet worden. Einer der Angreifer erklärte, seine Gruppe komme aus dem Nachbarland Mali, wo Frankreich seit Ende vergangener Woche einen Militäreinsatz gegen Islamisten führt. Nach eigenen Angaben brachte die Gruppe der Angreifer 41 westliche Ausländer in ihre Gewalt, darunter 7 US-Amerikaner.[15]

    Bei der Wahl am 17. April 2014 wurde Bouteflika zum vierten Mal trotz der Schwächung durch einen Schlaganfall in seinem Amt bestätigt; nach Angaben des Innenministeriums entfielen 81,5 % der Stimmen auf den Amtsinhaber, 12,18 % gingen an Ali Benflis.[16] Im Frühjahr 2019 wurde bekannt, dass der schwer erkrankte Bouteflika für eine fünfte Amtszeit antreten werde. Nach Massenprotesten wurde er aber unter dem Druck des Militärs zum Rücktritt gezwungen. Im September 2021 starb Bouteflika mit 84 Jahren[17]. Präsident Tebboune hatte das Parlament im Februar nach Massenprotesten aufgelöst. Mit den vorgezogenen Parlamentswahlen im Juni versucht das algerische Regime, sich einmal mehr zu legitimieren – wie bei den Präsidentschaftswahlen 2019. Auch damals waren die Wahlen massenhaft boykottiert worden. Nach offiziellen Angaben hatten gerade mal knapp 24 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben.[18][19]

    Bona, Algeria. World Digital Library, 1899, abgerufen am 25. September 2013. Robert Davis: Christian Slaves, Muslim Masters: White Slavery in the Mediterranean, the Barbary Coast and Italy, 1500–1800. Palgrave Macmillan, 2003, ISBN 978-0-333-71966-4. Robert Davis: British Slaves on the Barbary Coast. Bbc.co.uk, archiviert vom Original am 25. April 2011; abgerufen am 29. Oktober 2020. „Immerhin gehörte noch fast die Hälfte des benutzten Landes in ungeteiltem Eigentum den arabisch-kabylischen Stämmen… Genau wie die Engländer in Britisch-Indien erklärten die Gouverneure Louis-Philippes in Algerien die Existenz eines Gemeineigentums ganzer Geschlechter für eine „Unmöglichkeit“…Durch Erlasse vom Jahre 1830, 1831, 1841, 1844, 1845, 1846 wurden diese Diebstähle an arabischen Geschlechterländereien „gesetzlich“ begründet… eine „parforce“ Einführung des Privateigentums in kürzester Zeit, das war der offen ausgesprochene Zweck des Gesetzes, den die Nationalversammlung im Jahre 1873 ausgearbeitet hatte.“ (Rosa Luxemburg: Die Akkumulation des Kapitals, 27. Kapitel: Der Kampf gegen die Naturalwirtschaft. Berlin 1913) ↑ a b Michel Abitbol: Histoire des juifs. De la genèse à nos jours. In: Marguerite de Marcillac (Hrsg.): Collection tempus. 2. Auflage, Nr. 663. Éditions Perrin, Paris 2016, ISBN 978-2-262-06807-3, S. 473 ff. Martin Evans: Algeria – France’s undeclared war. Oxford 2012. Mahfoud Bennoune: The Making of Contemporary Algeria 1830–1987. Cambridge, 1988, 2002, S. 76–79. Axel Tschentscher: Algeria Index. In: servat.unibe.ch. Universität Bern, abgerufen am 16. März 2019 (englisch). ↑ a b Eva Dingel: Der algerische Bürgerkrieg 1992–2002: Hintergründe eines Krieges ohne Namen. 2004; weltpolitik.net. ↑ a b c Amnesty International: Algerien – Menschenrechte in der Krise Romain Leick: Die Terror-Internationale: Algerien – Salafisten und Gia-Kämpfer SPIEGEL special 2/2004 vom 29. Juni 2004. Algerien – Bouteflika Sieger der Präsidentenwahl. In: faz.net. 10. April 2009, abgerufen am 6. Juli 2020. Bouteflika gewinnt Präsidentenwahl. In: dw-world.de. 10. April 2009, abgerufen am 26. Oktober 2020. Aufhebung Ausnahmezustand Algerien. Islamisten greifen BP-Standort in Algerien an T-online Nachrichten vom 16. Januar 2012. Präsidentschaftswahl in Algerien. (Memento vom 20. April 2014 im Internet Archive) bei tagesschau.de, 18. April 2012. Algeriens Ex-Präsident tot bei tagesschau.de 18. September 2021 Parlamentswahlen in Algerien - geprägt von Protest und Repression bei tagesschau.de 12.Juni 2021 Geringe Wahlbeteiligung von nur 1% Prozent Euronews 13.Juni 2021
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  • Sicherheit

    Kleinkriminalität herrscht vor allem in den größeren Städten wie Algier, Constantine und Oran. Raubüberfälle und Diebstahl stellen ein ernst zu nehmendes Problem dar. Es herrscht Photographierverbot von militärischen Einrichtungen (und Uniformierten) sowie verkehrstechnisch wichtigen Bauten.

    Zwar ist der Bürgerkrieg schon längst vorbei, trotzdem kann man Reisen nach Algerien nicht als sicher einstufen. Da in Algerien noch nicht so ein reger Tourismus wie in Marokko oder Tunesien herrscht braucht man zwar keine Angst vor Abzockern und Betrügern zu haben, hingegen werden immer wieder westliche Touristen durch islamistische Gruppen entführt. Fahrten in die Sahara, die Kabylei oder die jeweiligen Grenzgebiete sind vor diesem Hintergrund nicht sicher.

    Die Terroranschläge von 2006 und die CIA-gesponsorten Umsturzversuche 2011 in Algier haben staatliche Institutionen betroffen, die algerische Polizei und das Militär hat die Situation allerdings sehr gut im Griff und sonderliche Angst vor neuen Anschlägen oder Entführungen braucht man nicht zu haben.

    Homosexualität ist strafbewehrt.

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